piwik no script img

die wahrheitRoland Koch aufgegessen

Michael Ringel
Kommentar von Michael Ringel

Kannibale von Rotenburg verspeist kurz vor Wahl hessischen Ministerpräsidenten.

FRANKFURT AM MAIN taz Ganz Deutschland ist erschüttert. Die Nachricht schlug gestern ein wie eine Bombe: Roland Koch wurde aufgegessen. Wie der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel am Freitagnachmittag auf einer Pressekonferenz in Wiesbaden bekanntgab, wurde der Spitzenkandidat der Christlich Demokratischen Union und Ministerpräsident des Landes Hessen, Roland Koch, Opfer des sogenannten Kannibalen von Rotenburg. In ersten Stellungnahmen zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck betroffen. Die Oppositionsführerin im hessischen Landtag Andrea Ypsilanti (SPD) erklärte: "Ich bin ein Stück weit entsetzt." Vertreter der Grünen und der Linken sprachen ihr Bedauern über den Vorfall aus. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte eine lückenlose Aufklärung der Tatumstände an und forderte eine Ausweitung der Vorratsspeicherung auf Kannibalen.

Nach ersten Ermittlungen des BKA muss es dem Täter Armin Meiwes gelungen sein, am Freitagmorgen aus der Justizvollzugsanstalt Kassel zu fliehen. Meiwes habe sich zum Wohnort des Ministerpräsidenten begeben und ihn in seinem Haus allein angetroffen. Daraufhin habe Meiwes Koch zerlegt, gekocht und aufgegessen. Ob der für ein ähnliches Delikt bereits einsitzende "Kannibale" Helfershelfer hatte, wollen die Behörden in einer umfassenden Untersuchung klären. Das BKA stellte eine Sonderkommission mit dem Namen "Coq" zusammen, an der 400 Beamte beteiligt sind.

Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe am Montag berichtet, habe Meiwes laut Aussagen von Mithäftlingen seit Monaten Salz und Pfeffer gehortet. Meiwes hätte wörtlich geäußert: "Ich habe noch eine größere Mahlzeit vor mir." Zuletzt hätte sich der "Kannibale" mehrfach enttäuscht darüber gezeigt, dass ihm bei seiner Verurteilung die bürgerlichen Rechte aberkannt worden seien und er bei der Hessenwahl keine Stimme abgeben könne. Meiwes hatte sich im Gefängnis einer von den Grünen unterstützten Häftlingsgruppe angeschlossen, vermutlich auch, um leichter an Bioprodukte und erlesene Gewürze zu gelangen. Wie das Magazin Essen & Trinken vorab meldet, habe Meiwes Ministerpräsident Koch als Coq au vin zubereitet und dafür exquisite Produkte verwendet, die er alle mitgebracht habe.

Nach Polizeiangaben befand sich Roland Koch wegen einer Erkrankung allein zu Hause. Wo sich seine Sicherheitsbeamten aufhielten, ist zur Stunde noch nicht geklärt. Gegen 13.45 Uhr sei die Ehefrau des Opfers nach Hause gekommen und habe eine verschmutzte Küche sowie im Esszimmer Knochen und andere Überreste einer opulenten Mahlzeit vorgefunden. Da ihr Mann verschwunden war, habe sie sofort die Mitarbeiter der Senatskanzlei verständigt, die eine Gewalttat ausländischer Jugendlicher vermuteten. Eine eilig eingeleitete Fahndung konzentrierte sich jedoch schnell auf den seit dem frühen Morgen flüchtigen Meiwes, der allerdings wegen des schweren Essens nicht weit kam. Er wurde am Freitagnachmittag von einem Spezialkommando der Polizei in der Frankfurter Freßgass festgenommen, wo ihn einige Börsianer erkannten, die sich zum Wochenschluss des Aktienmarktes mit ein paar Flaschen Champagner über ihre Verluste hinwegtrösteten.

In einer ersten Vernehmung bekannte sich Meiwes zu der Tat, bestritt aber politische Motive. Wie das Magazin Focus berichtet, habe er immer wieder von einem "unbändigen Hunger" gesprochen, der durch die Nahrung in der Justizvollzugsanstalt nicht gestillt werden könnte.

"Ich weiß nicht, ob das lecker war", sagte der bekannte Fernsehkoch Horst Lichter der Nachrichtenagentur dpa. Gegenüber den "RTL II News" erklärten Teilnehmer der Sendung "Das perfekte Promi-Dinner", dass sie Koch nicht gern als Coq au vin essen würden. Der Gastrokritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Jürgen Dollase, allerdings sprach von einer "interessanten Textur der Sauce", die ihm ein Informant übermittelt habe.

Wie es nun in Hessen weitergeht und wann die Landtagswahl stattfindet, ist noch völlig ungewiss. Ob die CDU auch ohne Koch wieder mit dem Thema innere Sicherheit in den Wahlkampf zieht, konnte unter dem Schock der Ereignisse in der Partei niemand sagen. Der potenzielle Nachfolger Kochs, Innenminister Volker Bouffier, kündigte jedoch eine "schonungslose Auseinandersetzung" an über die Frage, ob "Grüne und Kommunisten die Finger im Spiel hatten".

In Frankfurt am Main kam es derweil zu unschönen Szenen in den Straßen der Problemviertel. Nachdem die Nachricht von der Verspeisung Roland Kochs bekannt wurde, zogen hunderte Mitglieder arabisch-türkischer Jugendgangs durch die Mainmetropole und verteilten unter lautstarken Jubelgesängen Bonbons und andere Süßigkeiten an Passanten - "als Nachtisch", wie es hieß.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Ringel
Wahrheit-Redakteur
Jahrgang 1961, lebt in Berlin-Friedenau und ist seit dem Jahr 2000 Redakteur für die Wahrheit-Seite der taz.

2 Kommentare

 / 
  • G
    Guillem

    Der Autor dieses Beitrages sollte wissen, dass er mindestens einen Berliner taz-Leser für Stunden in krampfhaftes Lachen versetzt hat. Es tut sehr weh. Einfach genial.

  • L
    Lotta

    Köstlich!