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die wahrheitVerehrungsschleim des Martin Walser

Was geht ab, wenn Großschriftsteller fernsehen? Zumindest von zweien weiß man es...

Was geht ab, wenn Großschriftsteller fernsehen? Zumindest von zweien weiß man es. Martin Walser widmete dem Tennisduo Becker/Graf vor über zehn Jahren eine zwölfseitige Lobhudelei und bekannte sich als Tennisdauerfernseher. Er trat freiwillig der "millionenfachen Verehrergemeinschaft" von Fernsehsportlern bei und fühlte sich dabei so wohl wie die Vorgestrigen in der Volksgemeinschaft. Damals wie heute ging es auf den Sportplätzen ums Nationale. Der Schriftsteller Walser wollte selbstverständlich kein "Fan" sein, denn in dem Wort witterte er ein zu großes "Bewusstlosigkeitsquantum". Er bekannte sich bieder und in obligatem Deutsch zu seiner Verehrung für Stefanie Graf und Boris Besenkammer Becker.

Am Volksstammtisch und vor dem Fernseher darf alles gesagt werden. Wenn Walser nicht gerade über Aufschläge und Breaks nachdenkt, muss er seit etwa 50 Jahren über Intellektuelle schimpfen, denn die haben Meinungen. Walser dagegen hat sich seit je vorgenommen, keine Meinungen mehr zu haben. Und er verheddert sich im Selbstwiderspruch, der meint, keine Meinung zu haben, sei keine Meinung. Mal traf sein Bannstrahl den "lebenslänglich unkündbaren Professor" Walter Jens, der die Meinung äußerte, "unsere Fußballspieler haben gespielt wie Angestellte". Derlei hält Walser für Landesverrat. Vermeintlich meinungsfrei spielte er auch das Schicksal jüdischer Deutscher, die emigrierten, gegen das Los jener aus, die hier blieben. Dem kahlköpfigen Emigranten Adorno pustete er ins Grab nach: "Frisur ist wichtiger als Haare." Fiese Meinungsprosa, was sonst.

Auch Günter Grass beschäftigte sich mit dem Tennisspiel. Allerdings nicht national-priapistisch wie Walser. Grass sprach vor zehn Jahren über Eigentum und Steuern. In diesem Zusammenhang erinnerte er an die Probleme mit Steuern bei den Tennisfamilien Graf und Becker. Die Behörden und Gerichte drückten damals beide Augen zu, um den Tennisspieler-Standort zu retten. Das hat bekanntlich nichts geholfen. Die beiden gingen - zumindest vorübergehend - ins Ausland.

Und was tut Walser heute, wenn er nicht gerade Thomas Mann nachdichtet wie im neuesten Roman? Tennis ist von vorgestern und wird nicht mehr tagelang übertragen. Walser hat sich - o Wunder - noch nicht dazu geäußert. Aber bei seiner Vorliebe fürs schwarz-rot-golden Verpackte dürfte er im Winter stundenlang vor dem Fernseher sitzen und seinen Tagesbedarf an Verehrungsschleim mit dem Zuschauen beim sinnlosen Herumballern der Biathletinnen und Biathleten stillen.

Erfunden wurde das Biathlon von skandinavischen und russischen Militärs, die ihre Infanterie auch im Winter einsetzen wollten. Die DDR perfektionierte die Sache. Nationale Volksarmee und Volkspolizei betreuten Biathlon. Das war bis 1989 eine Vopo-Randsportart, die ihren jüngsten medialen Aufstieg einzig den Grundbedürfnissen der "millionenfachen", aber vor allem nationalen "Verehrergemeinschaft" verdankt. Walser hat das Publikum noch nicht informiert über das Innenleben der Biathlon-Verehrergemeinschaft. Einen Titelvorschlag hätten wir anzubieten: "Laufen für alle, Schießen für Deutschland".

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