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die wahrheitDampfende Gedankenscheiße

Von Querdenkern und ähnlichem Normalpöbel auf dem Meinungs- und Medienmarkt.

Parteiübergreifend populär und medial sehr beliebt ist nach wie vor die Rede von Vor- und Querdenkern. Wer da für wen oder was vordenkt oder wer gegen wen oder was querdenkt, ist ebenfalls ziemlich beliebig. Jede Partei, jede Kirche, jede Talkshow und jeder Hundeverein hat eigene Vor- und Querdenker, weshalb das Personal der Vor- und Querdenker ebenso zahlreich wie vielfältig ist.

Was zeichnet die Vor- und Querdenker aus? Niemand weiß es, aber (fast) alle reden von ihnen - die ideale Voraussetzung also für eine grandiose Wortkonjunktur und -karriere am "Standort Deutschland", wo längst keiner mehr schweigt, worüber man nicht reden kann.

Fast völlig vom Meinungs- und Medienmarkt verdrängt haben die Vor- und Querdenkenden allerdings die inzwischen eher übel beleumdete Gattung der Nachdenkenden. Von diesen setzen sich Vor- und Querdenker durch Grundsätze ab. Sie verstehen ihr Gewerbe erstens zeitlich und zweitens wörtlich. Zeitlich: Vor dem Denken kommt das Reden, wahlweise das SMS-Verschicken, das Mailen oder das Telefonieren. Wörtlich: Das Ur- und Vorbild allen Querdenkens ist das Querlesen, also Halblesen beziehungsweise Halbüberlesen. Das sichert den Vordenkern und Querdenkern in jeder Lebenslage einen Vorsprung vor dem lesenden und denkenden - also nachdenklichen - Normalpöbel. Zu den Vor- und Querdenkern gesellen sich neuerdings noch jene, die etwas "andenken", also eine Überlegung anstellen, etwa so wie man ein paar Schuhe anprobiert.

Über die Schnelligkeit sind die Vor- und Querdenker mit dem notorisch trendigen Werbeagenturen-Slang eng verschwistert. Dort entdeckte man die "konzeptionelle Denke" und die "flotte Schreibe". "Schreibe" und "Denke" haben keine internen oder grammatischen Beziehungen zu Tätigkeiten, sind also keine Imperative, sondern Substantive, in denen das muntere Treiben, für das die Verben stehen, stillgelegt ist. Zwischen dem Schreiben und der Schreibe sowie zwischen dem Denken und der Denke liegt der gleiche Abgrund wie zwischen dem lebensnotwendigen Scheißen und dem ebenso stinkenden wie überflüssigen Resultat: der Scheiße, die verdient, schnell weggespült zu werden.

Die Denke und die Schreibe sind also die jüngeren Schwestern der schon etwas in die Jahre gekommenen, universalhistorisch und zivilisationsübergreifend bekannten Scheiße. Das mit den Schwestern, liebe feministische Linguistinnen, das habe ich nicht teuflisch ausgeheckt, sondern grammatisch vorgefunden. Die Vor- und Querdenker sind zwar real meistens und grammatisch zwingend männlich, aber die Denke und die Schreibe sind zumindest grammatisch weiblich, was sie logisch zwingend zu Schwestern und nicht zu Brüdern der Scheiße macht. Sorry - ging halt nicht anders.

Die "Andenke", sofern sie existiert, passt übrigens nicht ins Szenario, denn die gleicht ja der Anprobe von etwas, das einem (noch) nicht gehört. Das macht, wie die Schriftgelehrten sagen, einen kategorialen Unterschied aus, denn die Denke wie die Schreibe kann man nicht anprobieren wie etwas Fremdes. Das trägt man - wie die Scheiße - ganz tief in sich herum und lässt es dann raus.

RUDOLF WALTHER

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