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die wahrheitSommer in der Sauna

Mit der Formel 1 ist es wie mit der Germanistik. Weiß man die Quelle eines Zitats nicht, war es im Zweifelsfall immer entweder Goethe oder Schiller.

Mit der Formel 1 ist es wie mit der Germanistik. Weiß man die Quelle eines Zitats nicht, war es im Zweifelsfall immer entweder Goethe oder Schiller. Nur dass in der Formel 1 die Spitzenkräfte Niki Lauda und Michael Schumacher heißen. Einer der beiden jedenfalls hat einmal gesagt: "Formel-1-Rennen zu fahren ist wie Vögeln in der Sauna." Ich kann das nicht beurteilen. Ich bin noch nie in einem Rennwagen gefahren.

Allerdings gehe ich dreimal in der Woche in die Sauna. Angefangen hatte alles vor Jahren, als mich meine Redaktion ausgeguckt hatte, eine Besuchergruppe finnischer Journalisten durch das Verlagsgebäude zu führen. Vermutlich dachten die Kollegen, dass die typisch finnische Trinität von Birke, Sauna und Tango mir am ehesten entsprechen würde. Dabei habe ich mit Finnland ungefähr so viel zu tun wie die Germanistik mit der Formel 1.

Eine Stunde verbrachte ich mit den netten Finnen, die sich meinen Vortrag geduldig anhörten. Als ich sie dann aufforderte, mir zur Abwechslung mal eine Frage zu stellen, war das Erste, was sie wissen wollten: "Wo ist hier im Haus die Sauna?" Ich erklärte ihnen, dass es in unseren Breitengraden nicht gerade zu den vordringlichsten Arbeitsplatzwünschen gehört, seine Freizeit mit nackten, schwitzenden Kollegen zu verbringen. "Was heißt hier Freizeit?", antworteten die Nordmänner und -frauen kichernd. Seither stelle ich mir finnische Redaktionskonferenzen sehr viel komischer vor als die verkniffene Morgenrunde in unserer Redaktion, wo gern stutenbissige Alpha- und Beta-Mädchen beiderlei Geschlechts Zickenkriege um mittelmäßige Titelgeschichten führen.

Zum Abschied schenkten die Finnen mir ein T-Shirt in den Landesfarben, auf das in Brusthöhe ein wahres Konsonantengewitter gedruckt war: "Helsingin Sanomalehtimiesyhdistys". Angeblich soll es sich bei dem Schriftzug um den Namen eines in Helsinki ansässigen Journalistenverbands handeln, aber ich vermute, dass die Worte eine geheime Botschaft in sich tragen: "Sauna macht froh."

Es wirkt immer noch. Früher dachte ich, nur Nudisten und Tucken gehen in die Sauna. Jetzt möchte ich den ruhigsten Ort der Welt nicht missen, an dem ich garantiert keinen treffe, den ich kenne - und zwar nicht nur im Winter. Sauna im Sommer, das ist nichts für Warmduscher.

Kürzlich war das Schwitzbad defekt: "Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeiten", stand auf einem Schild: "Der Kundenservice ist bereits verständigt. Benutzen Sie bitte die Gemeinschaftssauna im ersten Stock." Gemeinschaftssauna? Ich wusste gar nicht, dass es in meinem Club so etwas gibt. Ich hatte ja auch nicht vor, Formel-1-Rennen in der Sauna zu fahren.

Erstmals betrat ich die gemischte Sauna, in der es blinkte und tirilierte wie in einem imaginären Regenwald. War doch an der Wand ein scheußliches grünes Lichtspiel installiert. Und aus einem Lautsprecher tönte grässliches Vogelgezwitscher. "Wen muss man bestechen, um die Vögel abzuwürgen?", fragte nach einer Weile eine Leidensgenossin in die Runde. "Goethe oder Schiller", murmelte ich, und sie sah mich an, als ob ich einen Sonnenstich hätte. Wahrscheinlich aber war sie Germanistin.

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