die wahrheit: Sei jung! Sei verrückt! Trink Alkohol!

Der internationale Kindertag in Deutschland und China zeigt, welchem Gesellschaftssystem die Zukunft gehört.

Ein Trupp der Jungen Pioniere grüßt auf einer Werbetafel in Peking mit erhobener Faust und einem alten kommunistischen Kampfruf. Bild: CHRISTIAN Y. SCHMIDT

Einen ganzen Kalten Krieg lang bekämpften sich zwei unterschiedliche Gesellschaftssysteme auch auf der Ebene der Feiertage. In den sozialistischen Ländern wurde einheitlich der 1. Juni als Internationaler Kindertag begangen, während in der kapitalistischen Welt der Kindertag an allen möglichen Daten gefeiert wurde. Dabei war der Internationale Kindertag der Kommunisten für ein Kind allemal das bessere Fest, denn an diesem Tag gab es Partys und Geschenke. Am Weltkindertag im kapitalistischen Teil Deutschlands gab es dagegen gar nichts; seit 1954 dümpelte der Aktionstag, von dem kaum irgendjemand etwas wusste, an jedem 20. September in der Festtagslandschaft vor sich hin.

Als dann der Sozialismus im Osten fürs Erste zusammenbrach, der Internationale Kindertag aber überlebte, war es eigentlich ganz folgerichtig, dass die für Kinder attraktivere Bewegung 1. Juni über den Weltkindertag (Bewegung langweiliger 20. September) triumphieren würde. Und tatsächlich ist genau das passiert. Fast zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer wird der kommunistische Feiertag mit einem Riesenklamauk begangen, zum Beispiel momentan gleich drei Tage lang und auf verschiedenen Bühnen in der Wuhlheide zu Berlin. Der Weltkindertag ist dagegen zu einem bedauernswerten Pflegefall verkommen, um den sich das Kinderhilfswerk kümmern muss, und der in Berlin in diesem Jahr vom angestaubten Exotenblatt BZ in irgendeinem Speicher veranstaltet wird. Auf der anderen Seite erobert der Internationale Kindertag gerade sogar das Herzland des alten Feindes, die USA.

Im sozialistisch-kapitalistischen Joint-Venture-Staat China wird selbstverständlich ebenfalls am 1. Juni gefeiert, unter anderem in der Pekinger Kinderdisko "Cargo Club". Auch hier zeigt sich, dass die sozialistische Version des Festes für Kinder die mit Abstand attraktivere ist, weil man in einem Land mit sozialistischen Wurzeln die Kinder einfach besser versteht. Das Plakat zu dem Event zeigt jedenfalls einen Trupp der kommunistischen Jugendorganisation Junge Pioniere (insgesamt 130 Millionen Mitglieder in China) im Alter von vielleicht zehn bis zwölf Jahren, der mit der Faust an der Stirn und dem alten kommunistischen Kampfruf "Be young! Be crazy!" grüßt. Anschließend, so suggerieren zumindest die Anzeigen, die das Plakat einrahmen, greift die kleine Gruppe zu einem Drink, wobei man die Auswahl zwischen Hennessy und Johnnie Walker hat; beides Marken, die auch zu den Sponsoren des Kindertag-Events im "Cargo Club" gehören.

Was für ein Unterschied zu unseren gesammelten trüben Kindertagen in der kapitalistischen Übergangsgesellschaft, wo wir uns allenfalls sauren Lambrusco für 2,99 D-Mark (Zwei-Liter-Bombe) leisten konnten, wenn überhaupt. Und kein Wunder, dass einer Gesellschaft, die sich so um ihre Jugend kümmert wie die chinesische, ganz klar die Zukunft gehört. Die Herzen der Jugend dieser Welt hat sie auf jeden Fall jetzt schon gewonnen. Na gut, okay, meins.

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