die wahrheit: Symmetrie riecht gut
Dank der Gnade der frühen Geburt war ich nicht am schlimmsten Geschmacksverbrechen der Achtzigerjahre beteiligt...
Dank der Gnade der frühen Geburt war ich nicht am schlimmsten Geschmacksverbrechen der Achtzigerjahre beteiligt: Ich hatte damals schon fast eine Glatze und konnte mir keinen asymmetrischen Haarschnitt zulegen. Eine solche Frisur verstoße gegen das Grundgesetz der Natur, wonach Symmetrie schön sei, sagt Marcus du Sautoy, ein Mathematikprofessor an der Oxford-Universität.
Mike Score, der Leadsänger der Gruppe Flock of Seagulls, sei schuld daran, dass die Achtzigerjahre niemals als modisch in die Geschichte eingehen werden. Score sah aus, als ob er mitten beim Haareschneiden aus dem Friseursalon geflohen sei. Du Sautoy sagt, er habe schon als Student die Musik von Flock of Seagulls als grauenhaft empfunden: "Nun kenne ich den Grund." Darüber hinaus sind Leute wie Score am Klimawandel schuld. 1985 stellten Wissenschaftler erstmals ein Loch in der Ozonschicht fest. Aber Menschen mit asymmetrischen Frisuren benutzten weiterhin Haarsprays, damit ihre ulkigen Frisuren betonsicher saßen.
Es ist beeindruckend, wenn man seinen Musikgeschmack wissenschaftlich untermauern kann. Ich mochte Eric Claptons Musik nicht sonderlich, nachdem sich Cream aufgelöst hatte. Damals fing Clapton an, weiße Socken zu tragen. Meine Untersuchung unter "Bouncers", den Türwächtern der Dubliner Diskotheken, hat ergeben, dass Weiße-Socken-Träger zu Gewalttätigkeit neigen. Deshalb lehnte ich als friedfertiger Mensch Clapton unbewusst ab. Das war aber schon Ende der Sechzigerjahre, und du Sautoy kann sich nicht mal an die Modeverirrungen der Siebziger - Blue Öyster Cult? - erinnern, weil er erst 42 ist. Deshalb miesepetert er nun gegen die Achtziger als asymmetrisches Zeitalter. Sie seien eine evolutionäre Sackgasse, über die man den gnädigen Mantel des Vergessens breiten sollte. Oder liegt es daran, dass du Sautoy gerade ein Buch über Symmetrie geschrieben hat, das wie Blei in den Regalen liegt und ein bisschen Werbung gebrauchen kann? Das hätte er eigentlich nicht nötig. Du Sautoy hat jede Menge Preise gewonnen, der Independent on Sunday bezeichnete ihn als "einen der führenden Wissenschaftler Großbritanniens". Er stammt aus Henley an der Themse, wo die Labour Party bei einer Nachwahl vorigen Donnerstag hinter den Grünen und den Nazis auf dem fünften Platz landete. Vielleicht wegen der Asymmetrie zwischen dem Programm der Partei und ihrer tatsächlichen Politik?
Symmetrie ist keine britische Vorliebe, auch die Hadza, ein Stamm von Jägern und Sammlern in Tansania, finden sie schön. Und Frauen können sie sogar riechen. Du Sautoy ließ Frauen an T-Shirts schnüffeln, die zu lange von Männern mit den unterschiedlichsten Frisuren getragen worden waren. Diejenigen unter ihnen, die gerade ovulierten, wählten die T-Shirts von den symmetrischsten Männern aus. Die Menschheit ist in den Achtzigern offenbar haarscharf am Aussterben vorbeigeschrammt.
Symmetrie ist eben sexy. "Sie ist ein Zeichen dafür, dass ein Individuum gutes Erbgut hat und deshalb ein guter Partner ist", sagt du Sautoy. Welcher Haarschnitt könnte symmetrischer sein als eine Glatze?
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