piwik no script img

die wahrheitUnd immer schön den Teller leer essen

Hat der Mann keine anderen Sorgen? Großbritanniens Premierminister Gordon Brown, der als Übergangsmantel der Politik in die Geschichte eingehen wird, hat die Nation aufgefordert, die Teller leer zu essen.

Dadurch könne man die steigenden Lebensmittelpreise in den Griff bekommen, und für die hungernden afrikanischen Kinder bleibe auch noch etwas übrig, sagte Brown sinngemäß. Die Briten werfen mehr als vier Millionen Tonnen Lebensmittel im Jahr in den Mülleimer. Jeder Haushalt vergeudet dadurch acht Pfund Sterling in der Woche. Das ärmste Zehntel der Briten gibt 15 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, das reichste Zehntel dagegen nur 7 Prozent. Was müssen die Armen auch ständig Kaviar fressen, fragte sich Brown vermutlich. Dann flog er zum G-8-Gipfel nach Japan. Die dortigen Gespräche über Armut und Lebensmittelkrise machten Hunger. Dummerweise veröffentlichten die japanischen Gastgeber die Speisenkarte des "Arbeitsessens". Gleich am ersten Tag des Gipfels wurden für Brown und Co. 24 verschiedene Gerichte aufgetischt - Räucherlachs und Seeigel, Kioto-Rindfleisch mit Spargel, Thunfisch mit Avocado, Venusmuscheln und Meeraal, Garnelen sowie Champagner zum Nachspülen. Das waren nur die Vorspeisen. 60 Köche kümmerten sich um die Bagage. Die afrikanischen Staatsoberhäupter hatten zwar an den Gipfelgesprächen teilgenommen, aber beim Essen mussten sie draußen bleiben. Vielleicht hat man ihnen ja die Reste geschenkt, damit nach Browns neuen Prinzipien nichts weggeworfen werden musste - nicht mal seine Fingernägel.

Er knabbere gerne an den Nägeln, gestand Brown dem New Statesman. In Anbetracht der Meinungsumfragen erscheint das durchaus als sinnvoll. Außerdem erklärte er der verdutzten Reporterin, dass er sich mit Heathcliff identifiziere. Bisher hatte man ihn mit Stalin, Mr. Bean und Macavity, der kriminellen Katze, verglichen. Aber Heathcliff, der Antiheld aus Emily Brontës Buch "Wuthering Heights"? Er meine "einen älteren, weiseren Heathcliff", schränkte Brown ein. Hat er das Buch überhaupt gelesen? Heathcliff wurde mit zunehmendem Alter immer gemeiner. Er neigte zu häuslicher Gewalt, Kidnapping, der Misshandlung von Tieren und dem Ausgraben seiner toten Freundin. Die suchte ihn dafür als Gespenst heim. Oder fühlt sich Brown in seinen Albträumen von Tony Blair verfolgt, weil der sein Amt erst an ihn abtrat, als Labour unaufhaltsam auf dem Weg nach unten war?

Wie dem auch sei. Brown kehrte dann zu seinem neuen Steckenpferd zurück: Supermärkten sollen Sonderangebote untersagt werden, bei denen die Kundschaft beim Kauf von zwei Lebensmittelprodukten ein drittes geschenkt bekommt. Das verleite zur Verschwendung. Auf diese Praxis des Kundenfangs ist die Supermarktkette Marks and Spencer spezialisiert. Deren Vorsitzender Stuart Rose leidet wie Brown unter unvorteilhaften Vergleichen. "Man hat mich den Robert Mugabe des Einzelhandels genannt", sagte er. "Ich sei ein Kätzchenwürger und habe die Haut eines Gürteltieres. Und nun hat man mich auch noch als Gordon Brown der Lebensmittelbranche beschimpft." Das sei der Gipfel der Beleidigungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!