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die wahrheitSchweizer Offiziersschlamassel

Kommentar von Rudolf Walther

Ein Schweizer Boulevardblatt titelte vor einiger Zeit: "Wer liebt die Schweizer Armee noch?" Leicht hat es die Milizarmee noch ...

Ein Schweizer Boulevardblatt titelte vor einiger Zeit: "Wer liebt die Schweizer Armee noch?" Leicht hat es die Milizarmee noch nie gehabt, denn in Sachen Militär ist jeder Schweizer Experte und dank der allgemeinen Wehrpflicht und dem automatischen Sturmgewehr samt 24 Schuss scharfer Munition im Schlafzimmerschrank immer im Dienst. Das kostet zwar ab und zu eine Ehefrau, einen Exgeliebten oder einen Konkurrenten das Leben, aber die Armee lebt damit wie mit anderen Pannen.

Vor ein paar Jahren machte man einen Mann zum Pressesprecher des Verteidigungsministeriums, der noch kurz zuvor eine Volksinitiative zur Abschaffung der Armee unterstützt hatte. Die Berufsschweizer und Armeefreunde tobten. Darauf folgte die Verurteilung eines Korporals, der sich geweigert hatte, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Nach den geltenden Gesetzen muss jeder Schweizer Soldat eine seinen Fähigkeiten entsprechende Militärkarriere machen. Die Frage nach der mentalen Verfassung einer Armeeführung, die Soldaten mit Drohungen und notfalls Strafvollzug buchstäblich auf die Karriereleiter zwingt, wurde nicht gestellt, aber die Neue Zürcher Zeitung merkte immerhin an: "Die jetzt ergriffene juristische Maßnahme ist jedenfalls nicht geeignet, das Image der Armee zu fördern."

Was das Image der Armee betrifft, kam es noch dicker. Im vergangenen Jahr starben sechs Soldaten bei einer riskanten Übung im Hochgebirge, und im Juni dieses Jahres fünf bei einer Schlauchbootfahrt in einem reißenden Bach, den zivile Kanufahrer eher meiden. Der zuständige Chef der Armeeeinheit wurde entlassen. Während die fünf Soldaten beerdigt wurden, ließ sich der Minister an der Seite der Miss Schweiz fotografieren. Auch das bescherte den Armeefreunden keine Freude und der Armee keine neuen Freunde.

Wenn es schief läuft, dann gründlich. Die Schweizer Regierung besteht aus sieben Ministern aus vier Parteien. Die Minister unterstehen jedoch dem Kollegialprinzip und nicht der Parteiräson. Wie kollegial der Umgang in diesem Gremium ist, machte wieder der Verteidigungsminister Samuel Schmid vor, den viele für einen politischen Blindgänger halten. Er hat das Vorschlagsrecht für die Wahl des obersten Armeechefs, den die siebenköpfige Regierung wählt. Im Juni 2007 ernannte man Roland Nef zum Armeechef, der eben den obersten Verantwortlichen für den Schlauchbootunfall entlassen hatte. Was der Verteidigungsminister seinen Ministerkollegen vor der Wahl kollegial verschwieg: Damals lief gegen Nef eine Strafuntersuchung. Der hohe Offizier soll seine Lebensgefährtin genötigt beziehungsweise "häusliche Gewalt" angewandt haben. Immerhin ein Offizialdelikt und keine Bagatelle. Inzwischen wurde das Verfahren allerdings eingestellt, weil solche Gewalt notorisch schwer beweisbar ist. Aber Schmids Nichtinformation seiner Kollegen ist schon ein Tarn- und Täuschungsmanöver der unfeineren Art.

Schweizer Minister treten nicht so schnell zurück. Erst ist mal Ferienpause, dann kommt der Nationalfeiertag, an dem sich Armeefreunde und Berufsschweizer in den Armen liegen, und im Herbst ist Gras über die Angelegenheit gewachsen.

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