die wahrheit: Brüste auf verlorenem Posten
Die Trikotwerbung der Fußballklubs ist ein Spiegel der wirtschaftlichen Zustände.
Man muss nicht unbedingt ein Anhänger von Werder Bremen sein, um die grünen Kicker wegen ihrer desaströsen Trikotlast zu bedauern, die sie auf den Schultern und der blanken Haut tragen müssen. Zwei Worte stehen, ach, auf ihrer Brust und machen alles zunichte, was seit Jahren an der Weser aufgebaut worden ist: "citi bank". Da können die Spieler unten rum mit ihren Beinen noch so mertesackern. Das Spiel ist aus. Die Bankenkrise hat den Realfußball auch außerhalb Madrids voll getroffen und gelähmt. Selbst gegen die Inselfußballer von Arthrose Famagusta war werdermäßig nichts zu machen. Gegen den Fluch des Sponsors ist man machtlos.
Das ist sogar in Baden-Württemberg zu spüren. Dort hat die preisfeindliche Politik des regionalen Energieriesen tiefe Spuren im Tabellenbild der Bundesliga hinterlassen. Gleich zweimal haben die aufgemotzten Badenwerke mit dem Schriftzug "EnBW" Leistung ruiniert: sowohl der VfB Stuttgart als auch der Karlsruher SC stehen dort, wo sonst nur der Bartel den Strom holt, nämlich im Keller. Und da trauen sie sich beim VfB sowieso nicht mehr hin, seit tief drunten die giftigen Reste der Trikotsätze mit dem "Göttinger Gruppe"-Aufdruck vor sich hin gammeln.
Energie scheint überhaupt zum Fußball nicht zu passen. Das gilt nicht nur für Cottbus. Die Spieltaktikanbindung von Schalke 04 an die Gaspreisentwicklung beim Trikotsponsor "Gazprom" ist genauso unübersehbar. Zu Hause in der Arena brennt kein Feuer mehr, und bei den Auswärtsspielen reicht das Gas der Knappen, das sie geben, kaum für einen Campingkocher.
Die beiden Reisebranchenvereine, der HSV und Hannover 96, sind von ihren Werbepartnern derart heruntergewirtschaftet worden, dass nicht einmal sinkende Kerosinpreise den Sturzflug aufhalten können. "Gestern hui, heute TUI" heulen die Fans in Hannover, und das "Fly emirates"-Signet auf den HSV-Trikots liest sich immer mehr wie eine windige Fluchtparole.
Aber auch das Dummland Hessen hat es voll erwischt. Bei Eintracht Frankfurt hinterlässt das Auf und Ab um die Flughafenplanung Spuren nicht nur auf den Trikots. Das rätselhafte Wort "fraport" könnte prima und genauso gut an Friedhelm Funkels Stelle auf der Trainerbank sitzen. Es würde an der Mittelmäßigkeit der Eintracht gar nichts ändern.
Schwersten Zeiten dürfte nach der Winterpause auch die Berliner Hertha entgegengehen. Konnte sie dank der börsengetunten Herbstbilanz vom Trikotpartner Mehdorn noch einen überraschenden Platz im oberen Tabellendrittel belegen und international im Uefa-Cup mitspielen, dürfte die angekündigte Stillarbeit auf den Gleisen der DB nach Weihnachten bitter für die Hertha werden. Wo soll die Rückrundenreise enden, wenn gar nichts mehr fährt? Wahrscheinlich in der zweiten Klasse.
Dass es auch anders gehen kann, bewies vor Wochen der Regionalligist Hessen Kassel. Der durfte plötzlich groß "VW" auf seine Trikots schreiben und schoss pünktlich zum Anstieg der Volkswagen-Aktie auf Platz eins in der Tabelle.
Noch raffinierter stellen es wieder mal die Bayern an. Statt sich von bankrotten Firmen ruinieren zu lassen, tun die Münchner das lieber umgekehrt mit den Firmen, die sie deshalb rechtzeitig vorher von den Spielerbrüsten entfernen lassen. Das ging so mit der Superrechnerfirma "Commodore" und schon 1991 (!) mit der Weltautofirma Opel. Wer einmal auf dem Bayerntrikot stand, der ist rettungslos verloren. Da kann sich jetzt der Sponsor "T-Home" noch so viele Telefonnummern ausdenken und an Anrufer weiterverkaufen, "T-Home" wird in 20 Jahren unbekannter sein als jeder betonverdeckte T-Träger.
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