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die wahrheitKonsumierende Eingreiftruppen

Jetzt will die Bundesregierung Elitekonsumenten im Finanzkrisengebiet einsetzen.

Tag und Nacht shoppen zu müssen, kann selbst den härtesten Konsumenten in die Erschöpfung treiben. Bild: ap

Deutschland im Winter 2008: Geschäftsklimaindex im Keller, Binnenkonjunktur ade. Die Republik fragt: Was tun? Steuer senken? Milliardenschwere Beschäftigungsprogramme? Sozialismus retour? Auswandern? "Alles Quatsch", sagt Professor Walter Wesendonk. "Wir brauchen nur Köpfchen." So einen wie den von Maike S. (23). Die Blondine steht mit verbundenen Augen in der Aula der Universität Hannover und schwitzt. Ihre Hände gleiten über die Kanten einer Mikrowelle. "Durchlauferhitzer", haucht sie, und 300 Germanistikstudenten halten den Atem an. "Nein, äh, Sensor-Gar-Aggregat. Drei Stufen. Das ist die HTMS 900 von Quelle." Meike S. reißt sich die Binde von den Augen und fällt Wesendonk in die Arme. "Das nenne ich praxisnahes Lernen", strahlt der Ökonomieprofessor und überreicht der blonden Maike eine Urkunde samt Einkaufsgutschein im Wert von 5.000 Euro.

Eine halbe Stunde später tritt Wesendonk mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil vor die Presse und präsentiert seine neue Geheimwaffe im Kampf um Vollbeschäftigung und steigende Kaufkraft: den "Aufbaustudiengang Diplomkonsument". Er wendet sich vor allem an Geisteswissenschaftler, um "endlich auch die brotlosen Künste in die ökonomischen Schaltkreise zu implantieren". Schließlich, so der Professor, könne es sich der Innovationsstandort Deutschland nicht länger leisten, "die Intelligenz links liegen zu lassen".

Damit hat Professor Wesendonk das Schlüsselproblem aufgegriffen, vor dem Konsumforscher schon seit Jahren warnen. Produkte wie Telefone, Designerstühle, Brustimplantate, Eieruhren und Decoder werden immer komplexer. Leider reagiert der Durchschnittsdeutsche auf diese Komplexität nicht mit stringentem Erkenntnis- und Kaufdrang. Stattdessen zeigt er im Mentalbereich alarmierende "Beschränkungen der Verknüpfungskapazität" (Niklas Luhmann). Anders gesagt: Die Konsumgesellschaft verdummt. Rasant!

Wie eine Studie der "Media-Gruppe München" belegt, sind große Verbrauchersegmente beim Einkauf schlicht überfordert und schleichender Konsumresistenz anheimgefallen. Zum Beispiel die Gruppe der "Hedonisten". Ausgerechnet diese hippe, vom produzierenden Gewerbe so heftig umworbene Spezies angeblich "origineller", im "Hier und Jetzt spontan konsumierender" Käuze, hat sich zur Konjunkturbremse entwickelt, weil sie insgesamt nur Sushi-Schnitzern und Kokainkartellen zu massiven Gewinnspannen verholfen hat.

Auch auf den Mittelstand kann die Wirtschaft nicht mehr bauen. Präsentierte sich dieser Typus jahrzehntelang als Speerspitze des "aufstiegsorientierten Verbrauchers", bei dem sich "Anpassung an die Normen" mit "prestigeorientiertem Konsumstil", "Gesundheitsbewusstsein" und "topmodischen Schrankwänden" paart, scheint die Mittelschicht angesichts der ausdifferenzierten Warenwelt zu degenerieren.

Die Möbelfirma Porta kann davon mehr als ein Lied singen. Ihr hochpreisiges Designprogramm "Ecco" wurde zum Totalflop, "weil die Leute glaubten, es handele sich um das neue Buch dieses dicken Italieners", klagt Geschäftsführer Heiner M. Auch das echt schweinslederne "Porta-Sitzparadies mit der Easy-Gleit-Funktion" wolle sich in diesen Zeiten kein "aufstiegsorientierter Verbraucher" leisten. Denn es ist "so bequem, dass man gar nicht mehr aufstehen will". So etwas brauchen nur Menschen, die weder aufsteigen, geschweige denn aufstehen wollen, weiß Wesendonk. "Mithin Philosophen, Künstler und andere Arbeitsscheue."

Was nicht dasselbe sei wie arbeitslos. Dem gemeinen Arbeitslosen bleibe ja gar keine Zeit zum Konsumieren. Er verbringt seine Tage damit, Arbeit zu suchen. Und das, so hat der Professor glasklar erkannt, sei "volkswirtschaftlich völlig sinnlos". Gewinn wird in der globalen Marktwirtschaft nicht durch mehr, sondern nur durch immer weniger Arbeit akkumuliert. Doch wohin treibt eine Gesellschaft, die längst auch die Freizeit zur Arbeit degradiert hat? Jogging, Fitness, Mülltrennung, Sex - überall herrscht weniger das Lust-, sondern ein schwitzig verbissenes Leistungsprinzip. Das ist "Selbstverwirklichung durch Selbstbetrug", zitiert Hubertus Heil Dr. Fritz Oblong, einen der fünf "Wirtschaftsweisen".

Aus alldem folge zwingend, "der ideale Konsument ist intelligent und arbeitsscheu". Er ist "Geisteswissenschaftler, Künstler, Tagedieb". Hier setzt Wesendonks "Aufbaustudiengang Diplomkonsument" an. Anstatt das Potenzial dieser Schlaumeier nach dem Studium der Künstlersozialkasse oder der Arbeitsagentur zu überantworten, werden die Kombattanten nach dem Vordiplom zu "konsumierenden Eingreiftruppen" umgeschult. Ihr Feindbild, betonte der Professor, "heißt Nullwachstum". Ausgerüstet mit staatlichen Einkaufsbons und hoher Verbraucherkompetenz werden sie als Guerillaverband im jeweiligen Absatzkrisengebiet operieren. Stahl, Jogurt, Kühlschränke, Zahnersatz, Starkbier - egal, wo es sich gerade staut, alles wird von den Elitekonsumenten, ohne mit der Wimper zu zucken, weggerafft und in Profit verwandelt. Sollte das Projekt auf dem Binnenmarkt reüssieren, verspricht Hubertus Heil, werde die Bundesregierung über Auslandseinsätze unter dem Kommando der Weltbank nachdenken.

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