die wahrheit: Das böse Kreditereignis
Was passiert, wenn der Kleinsparer am Bankschalter giftfreies Geld anlegen möchte.
Wenn man heute von Toxischem und Infiziertem liest oder hört, befindet man sich nicht in einer medizinischen Bibliothek oder in einer Apotheke, sondern bei der Lektüre des Wirtschaftsteils einer Zeitung oder am Bankschalter. In den Tresoren der Banken lagern Berge von "toxischen" und "infizierten" Papieren, wie es heißt.
Für deren Entsorgung gibt es zwei Vorschläge. Die Banken können ihre "papierenen Duplikate" realer Werte (Marx) verbrennen, aber damit würden sie nicht nur zu Verlierern, sondern obendrein zu Umweltverschmutzern. Die Banken können aber den fast wertlosen Schrott auch dem Staat verkaufen, der sie in seine Bad Bank legt. Dadurch werden die toxischen Papiere zu virtuellem Volksvermögen. Und wenn dieses "Vermögen" zu gegebener Zeit liquidiert wird, bleibt dem Volk die beim Kauf angefallene Staatsschuld. Und Staatsschulden sind das einzige Volksvermögen im wörtlichen Sinne: Nur Staatsschulden, nicht die Bahn und nicht das Gold im Keller der Bundesbank, gehören wirklich allen Bürgern.
Normalbürger können mit ihren Problemen weder zur Bad Bank gehen noch zu Peer Steinbrück. Bürger sparen, denn es könnte dereinst enger werden. Wer aber spart, muss sich mit Zinsen herumschlagen, ob er will oder nicht.
Und damit sind wir zurück am Bankschalter. Dort fragt man, was denn am besten zu tun sei mit dem übrig gebliebenen Geld angesichts von lausigen und tendenziell fallenden Zinssätzen für Festgeld. Ganze zweieinhalb Prozent Zinsen bietet die Sparkasse derzeit für garantiert giftfreies, echtes und obendrein versteuertes Geld. Auf den Hinweis, bei den famosen, weltweit agierenden Bigplayern unter den deutschen Großbanken gebe es immerhin zu denselben Konditionen ein ganzes Prozent mehr, reagiert der Sparkassen-Angestellte gereizt: "Zuerst holen sie" - gemeint waren die Dresdner Bank und die Commerzbank - "beim Steinbrück Milliarden an Krediten und Bürgschaften, und dann konkurrenzieren sie uns mit dieser Staatsknete in Grund und Boden."
Auch dem Kleinsparer ist das Hemd näher als der Rock. Er geht also mit seinem echten Geld zu einem der privaten Giftpapier-Sammler. Da kriegt er zunächst eher alte Lieder zu hören: "HVB Crelino Anleihe auf die Republik Österreich" mit 4,9 Prozent Rendite und der papierenen Garantie "Rückzahlung zu 100 Prozent zum Laufzeitende, sofern kein Kreditereignis beim Referenzschuldner eintritt". Weder energische Nachfragen noch Internet-Anfragen können Klarheit darüber bringen, wie ein "Kreditereignis" definiert wird. Die Dreifaltigkeit dieses Ereignisses hat drei Namen: "Nichtzahlung von definierten Verbindlichkeiten, Nichtanerkennung und Restrukturierung von definierten Verbindlichkeiten". Und wie es sich für dreifach Rückversichertes gehört, kann die Strafe bös ausfallen: "Im Extremfall kann der Barausgleichsbetrag auf null sinken" - also mein giftfreies Geld perdu wegen "Restrukturierung von Verbindlichkeiten". Und wie sieht der "Referenzschuldner" wirklich aus? Das steht im ganz klein Gedruckten: "Im ungünstigsten Fall kann ein Totalverlust entstehen."
Soll man jetzt auf die Bonität der "Republik Österreich" wetten, obwohl die Skifahrer aus dem Habsburgerland böse ins Abseits fuhren bei der WM?
Zurück am Bankschalter: "Wie viel Zins zahlen Sie für echtes Geld?" - "Ein Prozent mehr als die Sparkasse." Auf die Frage, wie groß denn das Risiko sei, dass die private Bank pleitegehe, antwortete die Frau nicht mit dem Hinweis auf den "Einlagensicherungsfonds", sondern ganz trocken: "Sie haben doch sicher gehört, dass die Commerzbank bei uns eingestiegen ist, und die wird demnächst verstaatlicht."
Wenn das so weiterläuft, landen wir alle bei Steinbrück. Und den Kindern und Kindeskindern bis ins letzte Glied vererben wir Staats-"Vermögen" in Form von Schulden.
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