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die wahrheitPartei mit Promille

Wahlkampf auf der Geisterebene: Bei der Europawahl will die kleine Spirituellenpartei "Die Violetten" mehr Göttlichkeit für Europa.

Wieder einmal steht eine Wahl an, für die sich die Wähler nicht recht interessieren mögen: die Europawahl. Und weil es dabei scheinbar egal ist, wer gewählt wird, wittern auch die Politfreaks wieder ihre große Chance.

Eine dieser ins Europaparlament drängenden Promilleparteien zeigt sich besonders skurril: "Die Violetten - für spirituelle Politik". Laut Programm wurde die Partei zu Beginn des dritten Jahrtausends von "Geistesfreunden aus mehreren Bundesländern" gegründet. Und seit den frühen Anfängen scheinen an der Spitze Größenwahn und Weltfremdheit um die Vorherrschaft zu kämpfen, wie man an den gehirnwaschenden Wahlwerbespots, die gerade im Fernsehen laufen, bestens beobachten kann. "Wir leben in einer Welt voller Möglichkeiten", säuseln darin esoterisch angehauchte Parteimitglieder die verwirrten Zuschauer an, die eigentlich nur auf die "Tagesschau" warten. Vor einem mit allerhand Fernsehtricksereien auf Glückseligkeit getrimmten Wolkenidyll wollen die blasslila Parteifunktionäre zu einer höheren Form von Bewusstsein anregen. Dazu streben die transzendenten Kameraden eine "Gesellschaftsordnung an, in der Selbsterkenntnis durch die individuelle spirituelle Entwicklung obenan steht".

Mit ihrem Spot vertrauen sie dabei ganz auf ihr ureigenes "Prinzip der Resonanz", bei dem Gedanken und Gefühle mit ähnlichen Gedanken und Gefühlen in Resonanz treten. "Sind wir glücklich und strahlen göttliche Liebe und Mitgefühl aus, so regen wir damit auch bei unseren Mitmenschen einen entsprechenden Zustand an." Für alle Zuschauer, die diesen Zustand nach Genuss der Wahlwerbung nicht so recht verspüren wollen, ist es wahrscheinlich ohnehin zu spät, sie sind schon ganz und gar der materiellen Ebene verfallen.

Dennoch sehen sich die Violetten als Vertreter und Sprachrohr "einer wachsenden Zahl von spirituellen Menschen", die "sich der geistigen Dimension unserer Welt bewusst sind und die ihre ganzheitliche und nicht nur rein materialistische Weltanschauung auch in der Politik vertreten sehen möchten." Dass sie bei ihrer "wachsenden Zahl" an Anhängern bisher wohl zu sehr auf das Überspringen der "Good Vibrations" vertraut haben, zeigen die geringen Wahlerfolge bei den letzten Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Dort katapultierte diese wachsende Zahl die Violetten jeweils von 0,0 auf 0,1 Prozent. Selbst die konkurrierende "Piraten"-Partei hat in Hessen dreimal so viele Stimmen bekommen.

Dabei hätten die Violetten ihre Wahlschlappe doch vorhersehen müssen - in spirituellen Gefilden treiben sich bekanntlich genug Wahrsager und Zeichendeuter herum. Aber wahrscheinlich liegt der Grund des Misserfolgs der Violetten in der Natur der transzendenten Wähler, die zuerst auf der übersinnlichen Geisterebene nach Wahllokalen gesucht haben. Oder die Esofreunde haben sich bei der letzten Engelsmeditation so lange mit bewusstseinserweiternden Räucherstäbchen zugedröhnt, bis sie den materiellen Gang zur Urne glatt verschwitzt haben.

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17 Kommentare

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  • FJ
    Fräulein Julia

    Liebe Luise,

    wenn es Ihr Eindruck ist, dass christliche Werte abgelehnt werden so ist das schade aber nicht zu ändern. Meines Erachtens werden nicht christliche Werte (Liebe, Mitgefühl, Toleranz sollen obenanstehen) sondern christliche Institutionen im Staat abgelehnt - daher die Forderung nach einer Trennung von Kirche und Staat. (das ist meine Sicht der Dinge)

    Ich wünsche Ihnen alles Gute und Zufriedenheit bei Ihrer Wahl.

    Alles Liebe

    Julia

  • L
    Luise

    Liebes Frl.Julia, christliche Werte sind Werte die in JEDER Religion gelebt werden sollten und auch geschrieben sind. Sie sind nicht fixiert auf die Kirche. Es sind Werte die jeder Mensch leben sollte.

    Ich hab mir Ihre Partei angeschaut und bin zu der Erkenntniss gekommen, eine Partei die sich spirituell nennt, sehr häufig das Universum und das Göttliche anruft, im selben Augenblick aber christliche Werte ablehnt, ist nichts für mich.

    Ich wünsche Ihnen dennoch Gottes Hilfe.

    Liebe Grüße Luise v. H.

  • FJ
    Fräulein Julia

    @ Luise:

     

    Christlich ist AUCH spirituell, aber deshalb Christlichkeit festzuschreiben würde auch bedeuten, alle andere Spiritualität aussen vor zu lassen.

    Für mich persönlich ist Spiritualität individuell und kann daher auch nirgendwo gesetzlich festgelegt werden. Dennoch kann man auch ohne gesetzliche Vorschrift im Alltagsleben spirituell (christlich/ ethisch) handeln.

     

    Alles Liebe! :-)

  • FJ
    Fräulein Julia

    @ Luise:

     

    Christlich ist AUCH spirituell, aber deshalb Christlichkeit festzuschreiben würde auch bedeuten, alle andere Spiritualität aussen vor zu lassen.

    Für mich persönlich ist Spiritualität individuell und kann daher auch nirgendwo gesetzlich festgelegt werden. Dennoch kann man auch ohne gesetzliche Vorschrift im Alltagsleben spirituell (christlich/ ethisch) handeln.

     

    Alles Liebe! :-)

  • MS
    marina saleh

    Liebe Julia, ich weiß das die Violetten nicht mit Räucherstäbchen arbeiten, sie versuchen durchaus ernsthafte Politik zu machen, aber es geht einfach nicht den Menschen per Gestz zu erklären was sie nun alles an Freiheit haben, dieses Bewusstsein ist ARBEIT, ihr könnt nicht daher kommen und sagen das alles falsch ist was die Menschen bisher getan haben, woran sie glauben oder was sie glauben zu wissen, das stösst auf Widerstand, auf Ablehnung.

    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und deratige starke jahrhunderte langes überschreiben hat tiefe Furchen hinterlassen, aber um diese Politik zu verändern müssen sie Euch vertrauen und da reicht ein nettes Lächeln nun mal nicht mehr aus.

    Langsames herantasten an die Bedürfnisse der Menschen, ihnen aufzuzeigen das ihr auch so lebt wie ihr propagiert, das ist wichtig und mal ehrlich daran müsst ihr schon noch ordentlich arbeiten:-)

    Nichts für ungut, ich wünsche Euch dennoch den Erfolg den ihr für die EU und Bundestagswahl braucht:-) Das ist ehrlich gemeint, auch wenn es nicht so klingt:-)

  • L
    Luise

    @ Fräulein Julia:-)

     

    Christlichkeit ist bei Ihnen also keine spirituelle Sichtweise? Werte wie, Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen...oder sonstige Werte, sind das alles keine christlichen Werte? Wir reden hier nicht von Steuern oder ähnlichem, sondern nur von christlichen Werten....und wenn die kein Maßstab sind für spirituelle Politiker, was macht Euch dann so besonders?

  • FJ
    Fräulein Julia

    @ von Luise:

    Die Violetten stehen deshalb nicht dafür, dass die EU sich als christliche Wertegemeinschaft verstehen soll, weil Religion in jeder Facette und Staat getrennt gehören. Gottesbezug in der Verfassung, Religonsunterricht und Kirchensteuern zeugen nicht wirklich von Säkularität.

    Die Violetten wollen auch keinen Spiritualitätsunterreicht oder sonstiges einführen - Spiritualität heißt Bewusstsein und Achtsamkeit und ist nicht lehrbar, sondern nur erfahrbar.

    @ Marina Saleh: Die Violetten wollen nicht die Folgen der derzeitigen Politik eindämmen sondern dem Bewusstsein dafür Platz geben, dass die derzeitigen Probleme nicht mit den Methoden von gestern gelöst werden können (sprich: Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung), wir also einen Paradigmenwechsel brauchen hin zu Konzepten, die von den vorgenannten Bedingungen nicht abhängen. Dieser Paradigmenwechsel ist nötig in allen Bereichen der Gesellschaft und ist sicher nicht mit Räucherstäbchen zu bewältigen, wie es den Violetten oft angedichtet wird...

     

    Soweit dazu,

    Alles Liebe!

  • S
    silberfischli

    Seit wann steht die taz für Vorurteile?

    Ihr ward schon mal besser, allerdings sehe ich bei derartigem Unsinn schwarz (vorne).

  • MS
    marina saleh

    @ A.S. Reyntjes:

     

    Das ist eh alles Schwachsinn, Jede Partei die behauptet uns von diesen Schuldenbergen, Arbeitslosen und solche Dinge befreit LÜGT.

    Sie wissen es alle und lügen dennoch, ob es im Vetrauen auf ihre Vision ist oder Naivität oder auch eine bewusste Lüge spielt keine Rolle dabei, denn von diesen Schulden wird uns niemand befreien solange Geld eine Handelsware ist und solange es den Zinseszins gibt.

    Es spielt also keine Rolle ob das nun Göttliche sind, Rentner oder auch Christen oder Außerirdische...sie alle versuchen die Folgen einzudämmen, gehen aber nicht wirklich an die Ursache.

  • L
    luise

    Im Wahl-o-mat ist die 34.Frage, ob die EU sich als christliche Wertegemeinschaft verstehen soll, die Violetten , eine spirituelle Partei, sagt dazu NEIN? Wieso?

  • AR
    A.S. Reyntjes

    Toppen möchte ich diese göttlichkeits-selige Partei mit den geistigen Fragmentinnen und Fragmenten einer parteiischen Alterserscheinung:

     

    http://www.bundeswahlleiter.de/de/parteien/downloads/parteien/Rentnerinnen_und_Rentner_Partei.pdf

  • B
    bauli2000

    Die Liga der Außerirdischen Lichtwesen werden schon dafür sorgen, dass die Esoteriker nach der Wahl gen Himmel fahren. Von demokratischen Wahlen in Atlantis habe ich eh' noch nie was gehört.

  • AS
    Axel Sallmann

    Scheinbar hat der liebe Herr Gückel nicht so ganz über den Tellerrand geschaut. Da gibt es Parteien die sich Christlich und Sozial nennen und alles andere machen als Christliche (Spirituelle)Politik.

    Die Grünen,die einmal angetreten waren um sich für den Frieden einzusetzen, stimmen für Kriegseinsätze der Bundeswehr. Bisher hat noch niemand mit Soldaten wirklichen Frieden hinbekommen. Die Menschen in unserem Staat werden als Verbraucher oder Wirtschaftsfaktor beschrieben. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wenn ich nun das Parteiprogramm oder die Präambel der Violetten lesen, so finde ich hier endlich einmal die richtigen Ansätze zum Thema: Umgang mit unserer Erde, ganzheitliche Gesundheitspolitik (für den Menschen und nicht für die Pharmalobby)Bedingungsloses Grundeinkommen, Menschenwürde usw. Spiritualität hat nichts mit Räucherstäbchen oder Realitätsfremden Esoterikern zu tuen, sondern beschäftigt sich mit den menschlichen Werten und wie der Mensch mit dem umgeht was ihn am Leben hält. Das was die Violetten ist für mich der richtige weg in die richtige Richtung.

  • MB
    Markus Benz

    Dass die TAZ einen so oberflächlichen und plumpen Artikel als Wahrheit verkauft, enttäuscht mich.

     

    Hab von der TAZ schon mehr gehalten! Die Violetten als Eso-Spinner-Partei abzuqualifizieren, hat was von Stammtisch-Mentalität.

    Ich bin kein Eso-Spinner und überzeugter Violetter! Keine Partei in D hat eine bessere Vision für die Zukunft dieses Gemeinwesens zu bieten.

    Lieber Michael Gückel, wir sollten niemals Dinge bewerten, die wir nicht vollständig verstanden haben und wir sollten auch Mut zur Lücke haben, denn es gibt mehr, weit mehr, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt., Das hat mal einer vor 450 Jahren gesagt. Das stimmt heute mehr, denn je!

  • AB
    Andreas Bleeck

    Der Tenor des Artikels ist das angeblich schlechte Wahlergebnis der Partei "Die Violetten" bei den Hessen- und Bayernwahlen. Wieviel wäre denn ein Erfolg für den Autor bei der ersten Teilnahme an Wahlen? Die Piratenpartei operiert doch schon lange auf internationaler Ebene. Ein schlechter Vergleich.

     

    Vielleicht war der Autor von etwas anderem noch vernebelt als Räucherwaren?

  • MS
    marina saleh

    Auch ich denke noch immer das die Violetten ein gutes Potenzial haben, nimmt man das Göttliche weg bleibt ein absolut tolles Programm.

    Eine echte Alternative gibt es im Moment nicht, allerdings stimme ich meinem Vorredner zu, Wasser predigen und Korn trinken ist leider die Devise der meisten dort und dennoch, die Gedanken und Positionen sind nachdenkenswert und sollten zumindest überdacht werden.

  • AD
    Axel Dörken

    Prinzipiell stehe ich zu den Zielen der Violetten. Ich stehe auch dazu, dass Politik eine andere Spiritualtität braucht - oder als was bezeichnest du es, wenn ein Politiker glaubt etwas so oder so tun zu müssen?

     

    Andererseits habe ich als ehemaliges kurzzeitiges Mitgleid bei den Violetten erlebt, dass sie Wein predigen und Korn saufen.

     

    Spirituell erhellend habe ich es nicht empfunden, wie selbst- und fremdzerstörerisch die Damen und Herren, die ich kennengelernt habe mit sich und anderen umgehen.

     

    Bei den Violetten kam ich mir vor, wie beim Klischee des Esotherikers. Das bedeuet für mich, Friede, Freude, Eierkuchen rufen, während festgestellt wird, dass die Handlungsunfähigkeit naht und der Erfolg auch nach Jahren sich noch nicht eingestellt hat.

     

    Doch wen wundert´s? Die Männer der Kirche machens nicht anders.

     

    Violette Ziele find ich toll. doch das Angehen der Ziele habe ich als urkonservativ, nämlich als trennend und nicht als verbindend erlebt.

     

    Ich wünsche mir mehr Menschen in der Politik, die sich zum Ziel gemacht haben das Grundeinkommen zu erreichen. Ich, persönlich, bin dann auch noch für die Anarchie. Ganz eifnach deswegen, weil sie in der Natur trefflich funktioniert. Der Mensch allerdings traut sich meißt nicht so weit zu vertrauen, dass er sie ausprobiert. es sei denn er heißt Ricardo Semler und leitete die Mitarbeiter von Semco und somit sich selbst in 20 Jahren zu einem gigantischen Erfolg (Buctipp: Das Semco System).