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die wahrheitSchwabinger Krawall: Fremd im eigenen Haus

Sie kenne bald niemanden mehr, sagt Frau Hammler. Dann habe sie den Alzheimer, grummelt ihr Mann. Langsam, stöhnt sie, fühle sie sich selber ganz fremd ...

Sie kenne bald niemanden mehr, sagt Frau Hammler. Dann habe sie den Alzheimer, grummelt ihr Mann. Langsam, stöhnt sie, fühle sie sich selber ganz fremd. Als das Stöhnen nicht aufhört, wird es Herrn Hammler zu viel. Das seien ja Heerscharen, die sie angeblich früher gekannt habe, da solle sie doch froh sein, wenn sie ein paar Namen weniger im Kopf behalten müsse. Frau Hammler schreit, er brauche nicht reden, so wie er sich immer aufrege, wenn die Japaner daherkommen und alles fotografieren. Das sei etwas vollkommen anderes, tobt Herr Hammler, er habe nichts gegen Japaner, griechische Krachkneipen, preußische Porschedeppen und amerikanische Wahnsinnige, er wolle lediglich seine Ruhe.

Als Frau Hammler anderntags im Treppenhaus zwei jungen Leuten begegnet, die sie noch nie gesehen hat, beschließt sie zu handeln, packt ein paar von Weihnachten übrige Plätzchen in eine Büchse und klingelt an der ersten Tür, an der ein Name steht, den sie nicht kennt. Eine junge Frau im Hemd öffnet und schaut sie verschlafen an. Frau Hammler überreicht ihr die Dose und erklärt, sie heiße Hammler und wohne im ersten Stock, seit bald 25 Jahren, seit sie aus der Schellingstraße hergezogen seien, nachdem die Kinder aus dem Haus waren, die Monika, die ja nach Starnberg geheiratet habe, und der Oliver, von dem sie leider so selten was höre, also sie und ihr Mann, der seit sieben Jahren in Frührente sei und als Hausmeister sowieso nicht viel verdient habe, aber sie wolle sich nicht beschweren, schließlich habe es die alte Frau Reibeis viel schwerer, seit die Betriebsrente von ihrem Mann ausgelaufen sei, der schon 1972 am Infarkt gestorben sei, beim Autoputzen, obwohl der DKW ein Firmenwagen gewesen sei, wohingegen sie sich seit Jahr und Tag gesund ernähre und nur einmal die Woche ein Fleisch auf den Tisch bringe, obwohl ihr Mann meckere, was er ständig tue, seit er es mit der Bandscheibe habe, weshalb sie auch aus dem vierten Stock heruntergezogen seien in die Wohnung, wo früher der Herr Raeder gewohnt habe, der alte Saufaus, der den ganzen Tag im Keller verbracht und angeblich geschreinert, in Wahrheit aber seinen Wein gesoffen habe, dann im Treppenhaus herumstrawanzt sei und Gespenster gesehen habe, bis ihn eines Tages der Schlag getroffen und ihr Mann ihn beim Kartoffelnholen auf der Kellertreppe gefunden habe, zum Glück, weil er sonst monatelang tot in der Wohnung gelegen wäre, die man dann nicht mehr bewohnen könnte wegen dem Gestank, wohingegen sie, seit sie den neuen Orangenreiniger benutze, praktisch immer eine gute Luft habe, selbst wenn sie Linsensuppe koche, die ihr Mann nicht recht vertrage mit seinem Darm, und jetzt müsse sie aber gehen, weil sie noch …

Die junge Frau zieht einen Stöpsel aus dem Ohr und sagt, sie habe nur ausnahmsweise hier bei dem Arschloch übernachtet, auf das sie sicher nicht noch mal reinfallen werde, zumal er eh nie Zeit habe und am Ersten ein Praktikum in Dinslaken anfange. Ihr sei das alles egal, sie stelle ihm diese Dose gern hin und wolle jetzt aber bitte danke in Ruhe ausschlafen.

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