die wahrheit: Nachweihnachtswehen
Weil man Geld sparen wollte und auf die echte Nordmann verzichtet hat, hängen jetzt noch ungefähr sieben Nadeln am Baum ...
Weil man Geld sparen wollte und auf die echte Nordmann verzichtet hat, hängen jetzt noch ungefähr sieben Nadeln am Baum, und im Kabuff, wo der Staubsauger steht, stinkt es nach Weihnachtsduftkerze. Die Kekse aus Fertigteig, die nach vier Minuten wieder aus dem Backofen kamen und auch durchs zweiwöchige Herumliegen nicht wirklich knusprig geworden sind, klitschen in der Entenfüttertüte, ansonsten sind nur die ekeligen Zuckerschaumsterne übrig. Der Retrofüller, der unter dem Weihnachtsbaum lag, hat beim ersten Gebrauch sofort gekleckst, Tinte muss man mit ihm nach dem Spritzenprinzip aufziehen, und in Sachen Schuss-Setzen ist man einfach aus der Übung. Aber da, wo er herkommt, gibt es garantiert auch noch Tintentod, Tintenkiller oder Tintentiger.
Dass man erwachsene Menschen kennt, die sich Rosenquarz-Pendel und Pendelhandbücher schenken, um die richtige Globuli-Mischung auszupendeln, kann einen auch nicht mehr schockieren. Die Globuli-Sektierer sind mitten in der Gesellschaft angekommen, und besorgte Mütter erzählen von Kindern, die heimlich sämtliche Globuli-Röhrchen auf einmal geleert haben, "weil die so süß schmecken". Ein Glück, dass die Dinger nicht wirken.
Das Buch über die Freundschaft zwischen einem Tannenbaum und einem Eichhörnchen ist praktischerweise noch eingeschweißt und findet somit direkt in der Notgeschenkekiste Platz, aber man sollte sich überlegen, ob man sich für solche Fälle nicht doch eine Laminiermaschine besorgt, obwohl es gute Frischhaltefolie, zumindest bei älteren Verwandten, auch tut.
Weil auf der Unterhosendose eine falsche Größe stand (der Herrenhintern misst sieben, nicht sechs), sollen die Buxen umgetauscht werden. Dass schon eine benutzt wurde - tant pis. Die kommt ganz nach unten.
Ansonsten gab es ein Handtuch aus Leinen, und weil man aus "Wie der Maulwurf zur Hose kam", dem ersten Abenteuer mit dem tschechischen Bodenauflockerer, der angeblich von Zdenek Miler nach dem Stolpern über einen Maulwurfshügel ersonnen wurde, weiß, wie aufwändig die Linnenherstellung ist - Flachs raufen, rösten, brechen, hecheln, spinnen, färben und weben -, kann man sich gar nicht genug freuen. Man fühlt sich außerdem dem Maulwurf noch ein bisschen näher, der einem in "Der Maulwurf und die Geburt" ja bereits die Sache mit dem Kinderkriegen erklärt hatte. Hecheln kam auch drin vor.
Die eigenen Geschenke, die eigentlich die schönsten sind, kommen wie immer erst nach Weihnachten an. Dafür bringt sie die nette, schnelle Ratte von DHL, der ein Nachbar, der gerade sein erstes Buch veröffentlicht hatte, vor dem Fest eine Freude machen wollte und jenes Werk, sogar mit Widmung, stolz als kleine Aufmerksamkeit fürs viele Treppenlaufen verehrte. "Dit is meen Erstes!", verriet die Ratte dankbar, und man kann sich gut vorstellen, wie das Sachbuch über den Konflikt zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda nun den weitläufigen Platz zwischen den Ratte-Lieblingsfilmen und den Ratte-Lieblingscomputerspielen so richtig schön ausnutzt.
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