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die wahrheitDie Tröpfchen des Prince-Charles

Die Demonstranten beim Klimagipfel in Kopenhagen gehören allesamt einer religiösen Sekte an. Das folgt aus einem Urteil, das Richter Michael Burton neulich vor einem Londoner Gericht gefällt hat.

"Der Glaube an einen von Menschen verursachten Klimawandel und das daraus resultierende moralische Gebot sind ein philosophischer Glaube, der unter das Religionsgesetz von 2003 fällt."

Das Gesetz besagt, dass niemand wegen seiner religiösen Überzeugung diskriminiert werden dürfe. Deshalb durfte Tim Nicholson, um den es bei dem Fall ging, nicht entlassen werden. Er war vom Geschäftsführer der größten britischen Maklerfirma gefeuert worden, weil er sich geweigert hatte, seinem Boss per Flugzeug nach Irland nachzureisen, um ihm dessen elektronischen Kalender hinterherzutragen.

Er reise gar nicht mehr mit dem Flugzeug, sagte Nicholson vor Gericht, er habe sein Haus wärmeisoliert, er kaufe lokale Produkte und habe große Angst um die menschliche Rasse.

Die muss man bei Burtons Urteil auch haben. Es ist allerdings keine große Überraschung, hat die regierende Labour Party doch unter Tony Blair, der sich bis heute nicht entscheiden kann, ob er lieber Protestant oder Katholik ist, die Rechte der religiösen Verbände mehr gestärkt, als es die Tories je gewagt hätten.

Arbeitgeber müssen die religiösen Rituale und Überzeugungen ihrer Angestellten respektieren, bestimmte die Regierung. Warum nicht auch die weltlichen Überzeugungen? Fromme Atheisten und fanatische Fleischesser könnten ihre Rechte einklagen, wenn sie nur heilsgewiss an ihre Sache glauben.

In der Welt des Richters Burton wäre Prinz Charles, der das Anlegen von Hecken zu seinen Hobbys zählt, ein Sektenführer. Auf der königlichen Webseite heißt es, Charles habe "immer daran geglaubt, dass schlechte Gesundheit nicht isoliert auftritt, sondern tatsächlich eine direkte Folge der Lebensweise, der Kultur und der Interaktion mit der Umwelt" sei.

Deshalb erforsche er auch leidenschaftlich, wie "sichere, geprüfte ergänzende Therapien in Verbindung mit der Schulmedizin" funktionieren können. Und er hat die Lösung gefunden: Duchy Herbals Detox Tincture aus seiner maroden Firma Duchy Originals, die im September nur deshalb nicht bankrott ging, weil eine Supermarktkette die Exklusivrechte an den Produkten kaufte.

Mit dem Detox-Fläschchen für zehn Pfund kann man angeblich den Körper entgiften. Mit Wissenschaft hat das freilich ebenso wenig zu tun wie Burtons Urteil. Professor Edzard Ernst, ein Experte für ergänzende Medizin, sagte, bei der Tinktur aus Artischocke und Löwenzahn gehe es um Aberglaube und Quacksalberei.

Das Zeug sei sogar gefährlich, weil es den Kunden vorgaukle, dass sie sich ungehemmt der Völlerei und dem Alkohol hingeben können, denn die königliche Tinktur würde es wieder richten. Nun kümmert sich die Werbeaufsichtsbehörde um das Produkt. Charles sollte sich an Richter Burton wenden und ihm erklären, dass er ganz fest an seine Tröpfchen glaube.

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1 Kommentar

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  • UZ
    u. zeitler

    Eins entging dem Autoren gänzlich: der Richter hat mit diesem Trick einem recht vernünftigen Angestellten den Job gerettet.

    PS.: Brillianter Knabe, der Burton. Hat irgendwie was, die Urteilsbegründung, ist doch alles drin beim Klimawandel:

    Geheimnisvolle Mythen (siehe Godfrey Reggios "Koyanisquaatsi"/Hopi), frühe Propheten (Club of Rome), jahrelange erkenntnistheoretische Philosophenstreitereien, Symbol ("Erst wenn der letzte Baum gefällt ist...", als Autoaufkleber gerngesehen, hübsches T-Shirt-Motiv), Gebote zum Ignorieren, Ablaßhandlungen (Bioprodukte), und sehr wichtig: das Menschheitsuntergangsszenario in erreichbarer Nähe. Und alles ohne Gott. Dies satirisch zu betrachten wäre reizvoller gewesen.