die wahrheit: Slumdog Westerwelle
Jetzt isses endlich raus! Guido Westerwelle ist ein Ghettokind, ein Underdog …
Beim politischen Aschermittwoch der FDP rappte er es in die aufgepeitschte Crowd: Nein, er komme nicht aus einer reichen Familie, krasser sogar noch: Er sei auf der Realschule gewesen! Realschule. O Fuck!
Wenn das keine street credibility ist. Und die Menge hängt ihm an den Lippen: Big G. weiß, wovon er redet, der Mann hat selbst Dreck gefressen. Umso glaubwürdiger kann er seine ehemaligen Homies dissen, die in den Nachmittags-Talkshows chillen und stolz verkünden, "sie leben vom Staat" und "machen noch ein bisschen was schwarz nebenher". Vom Staat leben und nebenher noch was schwarz machen müssen? Wie blöd kann man eigentlich sein?
Westerwelle ist empört. Wie er da so steht in seinem maßgeschneiderten Pimp-Anzug ist er der Schnösel gewordene Beweis, dass man sich vom Steuerzahler aushalten lassen kann und nicht noch parallel schuften muss. Oder wie er selbst über die Staatsknete sagt: "Wenn de se mitnehmen kannst, nimmste se mit. Nix Menschliches ist mir fremd. Schließlich bin ich Rheinländer!"
Einfach mal so grob und schlampig aus der kalten Baggy Pants heraus recherchiert: Als Minister gibts rund 13.000 Euro, als Bundestagsabgeordneter sind noch mal ungefähr 3.500 fällig. Also schon ohne Nebentätigkeiten und Weihnachtsgeld kommen da monatlich 16.500 Steine zusammen. Spätestens hier ist klar, wer wirklich cool ist. Dazu noch mal im Vergleich: Ein doofer Harzer bekommt 359 Euro, dazu Miete und Heizung. Das wars. Ghettoking Westerwelle rules! Alle anderen sind Opfer, Digger!
Aber Guido ist ja auch ein ganz harter Knochen: Wer es schafft, aus dem Elend einer Rechtsanwaltsfamilie herauszukommen, um Rechtsanwalt zu werden, wer das Trauma eines frühkindlichen Reitunterrichts ("Die erste Erinnerung an mein ganzes Leben ist, wie ich auf einem Pferd sitze!") überwindet, dem kann keiner mehr was vormachen.
Auch nicht Guidos Soulmate Bushido. Der muss immer noch arbeiten, Platten machen, Bücher schreiben lassen und in Filmen sich selbst spielen, damit er in die Medien kommt und dort seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann: dem hirnfreien Dissen. Das alles braucht Westerwelle nicht.
Er ist als cooler Staatskneteabzieher sowieso qua Amt ständig in den Medien und kann dort beschimpfen, wen er will und so oft er will. Und Guido beweist, dass seine Beleidigungen noch beschrubbter sind als die Bushidos. Wenn Bushido Alice Schwarzer zuruft: "Fick dich ins Knie, du Fotze", dann legt Brother Guido nach: Seine Kritiker sind linksextrem in der Birne, Harzer sollen gefälligst Schnee schippen, wir leben wahlweise im Sozialismus oder im späten Rom …
Aber Bushido holt auf und lernt von seinem Vorbild Guido. Kürzlich verkündete er: "Ich werd mir demnächst mal alle Unterlagen besorgen, um ne Partei zu gründen. Wenn alle meine Fans mich wählen, dann hab ich mehr Stimmen als die FDP. Das heißt, Außenminister werde ich auf jeden Fall!" Check out, Guido.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren