die wahrheit: Der Hilfshauptmann
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Dirk "Nebel" Niebel.
Die Atmosphäre war wie mit blauen Bohnen gepflastert. Könnten Augen töten, wäre der Mann auf dem Podium wohl oder übel zerschnetzelt worden: Dirk Niebel, der neue Kommandeur des Entwicklungshilfeministeriums, der sich am Abend des 28. Oktober 2009 seinen Untergebenen erstmals in voller Montur präsentierte.
Jeder wusste, dass Niebel nicht bloß ein leeres Blatt auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe war. Keine Ahnung von seinem Amt zu haben, das teilte er mit den anderen Mitgliedern der Regierung. Nein, der Grund dafür, dass seine Zuhörer mit Feindseligkeit gespickt waren, hatte einen anderen Vater: Niebels im Wahlkampf scharf ausposaunten Wunsch, das Entwicklungshilfeministerium auf Erbsengröße zu schrumpfen.
Viele sahen bereits ihren Schreibtisch davonschwimmen. Tatsächlich sind etliche der damals Anwesenden heute nicht mehr in Amt und Hosen. Vor allem die bewährten Führungskräfte wurden in den Ruin getrieben und durch bis in die Unterwolle gelb gefärbte Marionetten ersetzt. Um ausreichend Futter für seine FDP-Kameraden zu garantieren, wurde das Ministerium auch nicht etwa ausradiert, sondern im Gegenteil aufgeblasen, indem Niebel neue Stellen und sogar eine komplett neue Abteilung aus dem Boden hob.
Dass alles geschah am helllichten Tag, da beinstarke Klientelwirtschaft nichts mit Korruption zu tun hat. Ebenso wenig ist mit spitzer Stimme zu bemäkeln, dass Niebel fachlich fähige Leute durch Gestalten ersetzt, die zu ihm passen. Insbesondere eignet sich, dem Fallschirmjäger, Zugführer einer Luftlandebrigade und lebendem Hauptmann der Reserve Dirk Niebel sei Dank, das neu zugeschnittene Entwicklungshilfeministerium zur Unterbringung von Personen, die einen Stich ins Militärische haben.
Etwa von Bundeswehr-Oberst Friedel Eggelmeyer, der ab sofort die Abteilung Nordafrika, Nahost und Afghanistan in den Kampf führt, weil er zum Freundeskreis des Panzerbataillons 33 aus Neustadt am Rübenschwein, pardon: Rübenberge gehört. Dessen Abzeichen ist eine Palme, die dem Emblem des Afrika-Korps nachgemalt ist. Fast ein Menschenalter ist seither abgerollt. Nun schafft es doch noch einer, in das Gelände östlich von El Alamein vorzurommeln!
Dirk Niebel selbst stieß als Erstes in die Gebiete südlich von El Alamein vor. Mit einer verspiegelten Sonnenbrille vor der schwarzen Zivilbevölkerung geschützt und mit einer Bundeswehrmütze wider die feindselige Hitze ausgerüstet, drang er Anfang Januar tief in Afrika ein, wo es besonders rohstoffreich ist. Die Marschroute des Entwicklungshilfeministers ist klar wie die Suppe, die im Hoden kocht: Es gilt auszukundschaften, inwiefern die Entwicklungsländer bei Deutschlands Entwicklung behilflich sein können.
Das ist auch der Grund, weshalb Niebel seine Arme aus Gemeinschaftsprojekten mit UNO, Weltbank und EU herausziehen will, bei denen man sich einordnen und manchmal einem fremden Stiefel unterordnen muss. Stattdessen plant er bilaterale Verträge mit den armen Hunden der Dritten Welt, damit Deutschland überall einen schwächeren Partner zum Partner hat.
Um hierfür die deutsche Schlagkraft mit mehr Bums auszustatten, formiert Niebel seine Truppen neu: Die drei in staatlichem Saft stehenden Entwicklungshilfeorganisationen - die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ, der Deutsche Entwicklungsdienst DED und die Bildungsagentur Inwent - werden zu einer unwiderstehlichen Einheit zusammengeschmolzen, die auf seinen Pfiff hört, auf das Kommando des Entwicklungshilfehauptmanns Dirk Niebel.
Nebenbei spart das viele Zentner Geld, die anderswo schöner, liberaler angelegt sind. Liberaler auch darum, weil, wenn nicht alle Sterne lügen, seine auf frische Stellen im Ministerium beförderten Adjutanten ihrer gelb riechenden Parteipolitik frönen können wie einst Dirk Niebel. Der war nach acht Jahren Soldatenwesen ins Zivilleben gerutscht, hatte sich zum Verwaltungsoffizier, am Arsch: Diplomverwaltungswirt umbauen lassen und im Heidelberger Arbeitsamt seinen Wirt gefunden.
1994 nahm er ein Bundestagsmandat ins Visier und gab in seiner Wahlkampfpost sein Diensttelefon an, um während der Arbeitszeit seine politische Freizeit ableiern zu können. Seine Vorgesetzten kamen ihm auf die allzu dumme Spur, weshalb der Ertappte seither die Abtötung aller Arbeitsämter fordert. Sie seien unfähig, und da Niebel selber Arbeitsvermittler war, muss er es wissen.
1998 schaffte er sich in den für Leute wie ihn besser geeigneten und fetter zahlenden Bundestag. Er wurde als arbeitsmarktpolitischer Gärtner der FDP-Böcke installiert, saß sich ausgerechnet im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung und im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit den Allerdichtesten platt und lärmte von 2005 bis 2009 als Generalsekretär der FDP öffentlich herum.
Die nicht immer sein Zuhause war: Als parteipolitischer Rekrut hatte sich Niebel zuerst, um 1980, der CDU dienstverpflichtet. Aus Treue wird Niebel wohl ehrenhalber ein paar Stellen auch an sie weiterreichen. Er ist schließlich liberal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“