die wahrheit: Der arme, arme Bono
In der letzten Kolumne habe ich die englische Schadenfreude angeprangert. Jetzt muss ich feststellen, dass sie mir nicht fremd ist. Angesichts der Hiobsbotschaften, ...
... die die irische Rockkapelle U2 in diesem Jahr ereilen, habe ich versucht, Mitleid zu empfinden. Es ging nicht. Die Schadenfreude überwog.
2010 wird für U2 als "annus horribilis" in die Geschichte eingehen, so viel steht jetzt schon fest. Die Runzelrocker haben seit 20 Jahren kein anständiges Album mehr zustande gebracht, ihr letztes Werk ist sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Bei der Meteor-Preisverleihung, dem irischen Grammy, wo U2 bisher Jahr für Jahr mindestens drei Preise absahnte, ist die Band im Februar leer ausgegangen - übertrumpft von Westlife, einer "Boyband", deren Mitglieder allesamt über 30 sind.
Dann kam eine Rüge von der britischen Medienaufsicht. U2 hatte auf dem Dach des BBC-Gebäudes in London vor 5.000 Menschen gespielt. Während der Fernsehübertragung war das Logo "U2 = BBC" mehrmals zu sehen, was nach Auffassung der Medienaufsicht "den unangemessenen Eindruck erweckte", die BBC würde sich mit der Band identifizieren. Das wäre nicht nur unangemessen, sondern tragisch - ein eigener Sender für die klotzköpfige Band! Es reicht ja, dass Sänger Bono im BBC-Radio sein ellenlanges Gedicht über "Elvis, den amerikanischen David" vorlesen durfte, und zwar mit Zeilen wie "Elvis auf drei Fernsehern, Elvis, hier kommen die Killerbienen, Kopf voller Honig, Pommes frites und Käse".
Aber auch außerhalb des Musikgeschäfts läuft es für die vier Musiker nicht gut. Der Gitarrist The Edge hat Ärger mit Umweltschützern und Nachbarn, weil er die Berge über Malibu mit einem gewaltigen Luxushäuserkomplex zupflastern will. Dabei soll doch alles streng ökologisch zugehen: Die Dächer sind Herbstlaub nachempfunden.
Bono ist neulich von der Finanz-Website "24/7 Wall Street" zum dümmsten Investor in den USA gewählt worden. Seine Firma hat eine Reihe törichter Projekte gefördert, zum Beispiel Smart Phones, die alles andere als smart waren. So wurden Millionen in den Sand gesetzt. Die hätte Bono besser Afrika gestiftet, aber der Starkolonialist lässt lieber stiften. Mit seiner gönnerhaften Kampagne zur Rettung Afrikas zeichnet er ein Bild von dem Kontinent als elendem Loch mit naiven, großäugigen Bewohnern, die ohne das sonnenbebrillte Großmaul ("Ich repräsentiere eine Menge Menschen in Afrika") angeschmiert wären.
Doch jetzt hat er eigene Sorgen. Bei Proben hat er sich eine Rückenverletzung zugezogen, so dass er in München notoperiert werden musste. Der Start der US-Tournee, bei der alleine die Transportkosten bei 750.000 Dollar pro Tag liegen, musste verschoben, der Auftritt beim englischen Glastenbury-Festival abgesagt werden. Nun sucht man händeringend nach Ersatz. Wie wäre es mit der Lieblingsband von Peaches Geldof, der Tochter von Bonos Gutmenschkollegen Bob Geldof? Sie mag zum Entsetzen ihres Vaters die Indierock-Gruppe Bono must die. Ein klasse Name.
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