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die wahrheit"Angie, du Angie "

Nach der Ernennung der neuen Bundespräsidentin: Ein Land im Freudentaumel. Immer wieder jauchzen in den Straßen der Hauptstadt Menschen ungeniert.

Das Vergissmeinnicht ist das Symbol der Angela Merkel und Zeichen des Aufbruchs in eine neue Zeit. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Land im Freudentaumel. Immer wieder jauchzen in den Straßen der Hauptstadt Menschen ungeniert. Übermannt von der Glückseligkeit, lassen sie ihren Gefühlen freien Lauf. Niemanden lässt es unberührt. Die neue Bundespräsidentin ist ernannt. Angela Merkel übernimmt das Amt. Die gute Frau, die sie künftig durch alle Lebenslagen leiten und führen wird, die sie bewundern und verehren wie eine große Mutter, zu der sie aufsehen in guten wie in schlechten Zeiten.

Am Schloss Bellevue, dem Amtssitz des neu gewonnenen Oberhaupts, stehen tausende Bürger und skandieren unablässig ihren Namen: "Angie, du Angie, du Angie …" Männer umklammern Vergissmeinnicht, als ob es das Einzige ist, an dem sie sich festhalten können. Es sind die Lieblingsblumen ihrer hochgeachteten Präsidentin, wie bald jedes Kind von den Bundesgartenschau-Eröffnungen wissen wird, die demnächst live in alle Haushalte übertragen werden. Wie wird man da mitlachen, wenn die fröhliche erste Frau im Staat ihre heiteren Worte an die Massen richtet, man solle sich doch bitte schön an der gebotenen Pracht erfreuen. Das leuchtende Vergissmeinnicht, das sie immerzu in der Hand tragen wird, wenn sie im Land unterwegs ist, wird ihr persönliches Symbol und ein Zeichen ihrer Zeit. Jetzt gehts los!

Freudentränen haben tiefe Kanäle in die Gesichter der Vorbeieilenden gegraben. Immer wieder bilden sich Menschentrauben um Korrespondenten und Kamerateams aus fremden Ländern. Man will wissen, wie das Ausland reagiert, und ist verblüfft, dass es noch keine offiziellen Kommentare zu ihrer Angela aus den Metropolen der Welt gibt. Denn auch unter den ausländischen Staatsführern ist die Freude groß, dass die hoch geschätzte Deutsche in ihre Mitte aufgenommen wird. Noch fehlen den Königen und Präsidenten, den Hoheiten und Würdenträgern die Worte des Frohlockens. Zu überwältigend ist die Begeisterung über den Gewinn.

Die so beliebten Bierlokale und Speisewirtschaften der Hauptstadt Berlin sind überfüllt. Nur wenige Menschen sind an einem solch schicksalschweren Tag zur Arbeit gegangen. Kaum ein Bürger dieses Landes am Rande der Verzückung verfolgt zuhause an den Rundfunkempfängern und Bildschirmen die freudigen Nachrichten. In einer Endlosschleife präsentiert das Staatsfernsehen Aufnahmen aus dem Leben der Gefeierten. Die Bilder sind mit Rockmusik unterlegt, einer Hymne von Queen.

Manche halten es drinnen nicht mehr aus. Bunt gekleidet laufen sie singend herum, als ob sie persönlich nach ihrer bewunderten Anführerin suchen. Und jedes Mal geht ein Raunen durch die Grüppchen, die sich gefunden haben, wenn neue herrliche Nachrichten aus dem Land eintreffen: So sollen in Frankfurt am Main Mitglieder der Jungen Union spontan sieben Kinder gezeugt haben. In Leipzig hat sich ein bekannter Priester selbst geheiratet, heißt es. Und in München wurde zum ersten Mal in der Geschichte Bayerns der Biergarten im Englischen Garten für 24 Stunden geöffnet. Ein Raunen geht durch die Runde. Für einen Moment wird die Glückseligkeit von purer Lust überdeckt.

Ein Autokonvoi mit farbenfrohen Standarten jagt unter ohrenbetäubendem Freudengehupe vorbei. Das greift jedem hier ans Herz. Neue Wonnemeldungen treffen ein. Angela Merkel will nach ihrer Ernennung ins Land hinausgehen, alle ihre Landeskinder umarmen, wird gejuchzt. Wie in Trance stürzen die einen davon, die anderen umklammern freudetrunken den Hals des Erstbesten. Und plötzlich geht ein Ruck, wie ihn sich die geliebte neue Präsidentin wahrscheinlich immer schon gewünscht hat, durch die Erregten. Stolz übertönt die Ekstase. Schon stimmen sie mit hoch erhobenen Fäusten in den Ruf ein, der wohl zum Auftrag der größten Tochter des Landes werden wird: "Angie, du Angie, du Angie …"

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