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die wahrheitVom Tellerwäscher zum Tellerwäscher

Es war in den fürchterlichen achtziger Jahren: Man hörte grauenhafte Musik, trug schaurige Frisuren, und ich war jung, brauchte Geld und stromerte häufig ...

... in die studentische Jobvermittlung in der Uni. "Tellerwaschen in der Johannesstraße" stand auf einem Zettel am schwarzen Brett, für den sich außer mir niemand interessierte. Wusste denn keiner von diesen Narren, dass ein schnurgerader Weg vom Tellerwäscher zum Millionär führte? Ich nahm den Zettel ab und stand kurz darauf in Kumayashis Küche.

"Dein Job ist ganz einfach", sagte mein neuer Boss, "du spülst und hältst dich an die drei goldenen Regeln." Er war Japaner, besaß aber einen südeuropäischen Akzent. "Regel 1", fuhr er fort, "ich bin der Chef. Regel 2: Kritik ist nicht erlaubt. Regel 3: Hände weg von meiner Tochter!" Ich machte: "Oh!", denn seine Tochter war umwerfend hübsch. Doch Kumayashi spielte versonnen mit einem sehr scharfen Messer, weshalb ich begriff, dass vor allem ein Verstoß gegen Regel 3 blutige Folgen haben würde.

Ich erfuhr, dass Kumayashi Viertelsizilianer war und während seiner Kindheit ein paar Jahre bei seinem Onkel zunächst in Messina und dann in Duisburg gelebt hatte. Das Kochen allerdings hatte er in Japan gelernt. "Ich werde den Deutschen eine Speise schmackhaft machen, die sie noch nicht kennen. Und ich werde ein Vermögen damit verdienen!", sagte er, und ich sah staunend zu, wie er aus rohem Fisch und Reis kleine Häppchen formte. Die Dinger hießen Sushi - und sie schmeckten köstlich.

Der gewöhnliche deutsche Gast indes war von dem Essen weniger begeistert. Zwar war der Laden immer voll, doch das lag nur an Kumayashis schöner Tochter. Die Kochkunst des Chefs aber stand unentwegt in der Kritik, denn leider sollte es noch knapp zehn Jahre dauern, bis die Deutschen es plötzlich unerhört schick fanden, Sushi zu verspeisen.

"Pfui Deubel!", riefen die Leute, "der Fisch ist ja noch gar nicht durch!" Andere meckerten, weil sie statt Reis keine Pommes bekommen konnten, und manche riefen sogar die Polizei, weil sie den unfassbar scharfen Wasabi-Klecks auf ihrem Teller in einem Haps heruntergeschluckt hatten und nun befürchteten, mit Scheuerpaste vergiftet worden zu sein.

Auf Dauer konnte das nicht gut gehen, zumal die Imbissbude gegenüber bald mit sarkastischen Transparenten zu werben begann. "Wir braten unsere Schnitzel durch!" stand darauf oder: "Hier gibt es Ketchup statt Scheuermilch!" Am Ende wurde "Deutsches Sushi" (Fischstäbchen mit Pommes) angepriesen, und diesen Stich verkraftete Kumayashi nicht mehr. "Diese Hurensöhne!", fauchte er mit stark sizilianischem Akzent, und das Blitzen in seinen Augen verhieß nichts Gutes.

Am nächsten Morgen war von der Imbissbude nur noch ein Häufchen Asche übrig. Kumayashi und seine Tochter hatten für immer das Weite gesucht, und ich - dessen kometenhafter Aufstieg zum Millionär damit ein abruptes Ende nahm - trottete wieder in die studentische Jobvermittlung und durchstöberte die Zettel am schwarzen Brett.

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2 Kommentare

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  • SL
    Sam Lowry

    Jawohl. Ich wurde vom Millionär (neuer Markt) zum "Videominister der Psychiatrie, Haus S". Ein furchtbares Geschrei jeden Samstag... man kanns halt nicht allen Recht machen.

    Danach wurde ich Rasenmäher, elektrisch. Allerdings neulich dann über das Kabel gefahren: zuviel Strom für zuwenig Verbraucher? Also in Zukunft dran denken: Einen alten VHS-Rekorder parallel schalten oder sowas...

  • FK
    Franz Kien

    Danke für diese "Wahrheit". witzig geschrieben. Bereits im ersten Absatz musste ich auflachen - das zweite Mal an diesem Tag. Es scheint mir noch ein guter Tag zu werden, und die taz (!) hat daran Anteil.

     

    Das zeigt es aber auch: Gute (Geschäfts-)Ideen brauchen den richtigen Zeitpunkt und offensichtlich ein sehr gutes Marketing, damit der Zeitpunkt schneller heranrückt.