die wahrheit: Der homosexuelle Mann...
… ist nicht mehr so leicht in Misskredit zu bringen. Vor mehr als 40 Jahren reichte der Hinweis, dass einer schwul ist, noch aus, ihn in den Knast zu bringen...
... Vor 30 Jahren konnte er deswegen den Job verlieren, und heute kostet es ihn - wenn überhaupt - gerade mal den guten Ruf.
Wollen die, denen die wüsten Bilder über homosexuelles Treiben trotz allen Wandels nicht aus dem Kopf gehen, immer noch zuschlagen, müssen sie ein bisschen tiefer in die Klischee-Kiste greifen. So wie uns das Florentine Fritzen unlängst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vorgemacht hat. Ihr Thema: das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Dazu fasst sie routiniert den Stand der politischen Debatte zusammen und landet zwangsläufig bei Volker Beck, dem engagiertesten Schwulenpolitiker hierzulande und bei den Grünen zuständig für eine Gesetzesinitiative, die endlich auch homosexuellen Paaren die Möglichkeit der Adoption eröffnen soll.
Der schwule Beck und Kinder? Die Autorin fängt an zu stottern. Da war doch was! 1988! Da sei Beck für die "zumindest teilweise Entkriminalisierung von Pädosexualität" eingetreten. Zwar habe sich, auch das weiß Frau Fritzen, Beck seitdem mehrfach davon distanziert, aber was solls. Um einen Schwulen ins falsche Licht zu setzen, reicht das Stichwort "Pädosexualität" allemal aus, auch wenn das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun hat. Irgendwas wird schon hängen bleiben! Mit dem Pädo-Vorwurf, vor "Terrorist" und "Kommunist" immer noch auf Rang 1 aller Verbalkeulen hierzulande, lässt sich jederzeit jedem verhassten Schwulen ordentlich in die Eier treten.
Mit ähnlichem Reflex, gespeist aus dem gleichen Wunsch nach Herabwürdigung und Beleidigung, trumpft dieselbe Zeitung eine Woche später wieder auf. Diesmal geht es um ein Interview der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit dem schwulen Monatsmagazin Männer. Dass in dem gleichen Heft, vor und nach dem Gespräch mit Frau Kraft, auch Schwänze zu sehen waren und sonstiges Männerfleisch, hatte zuvor bereits die Titten-Postille Bild zum Skandal befördert. Jetzt legt die FAS nach und schreibt - man spürt förmlich die spitzen Finger - von einem "Schwulenhochglanzmagazin", "dessen Hauptanziehungskraft für Leser sicherlich nicht seine geistig-moralischen Inhalte" seien.
Aha! Ein "Schwulenhochglanzmagazin" kann nur eine Wichsvorlage sein, und von jenen, die so ein Blatt in die Hand nehmen, wird nicht unbedingt die Fähigkeit des Lesens erwartet. So also sieht es aus, wenn das bemüht tolerante Bürgertum auf schwule Wirklichkeit stößt und sich ebenda mit Dingen konfrontiert sieht, die einen ansonsten nur in den düstersten Verdrängungsfantasien behelligen. Um einer politischen Gegnerin zu schaden, bringe man sie in quasi körperlichen Kontakt mit leckeren Schwulenschwänzen, und es besteht - wie bei dem Versuch mit Volker Beck - die Hoffnung, irgendein Schmuddel wird schon hängen bleiben. Die Journalisten wissen, was die Leser wollen.
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