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die wahrheitDer Tag, an dem das Böse aus der Welt verschwand

Zu einer Zeit, da ich leidvolle Erfahrungen machen musste wie beispielsweise die, dass Tankstellen für gewöhnlich keine Schnurrbärte zum Kauf anbieten...

... zu einer solchen Zeit wollte ich einen Roman schreiben. Mein Thema war folgendes: Ein Mann ohne Schnurrbart kauft auf einem Trödelmarkt oder sonst wo ein altes, verschlossenes Tagebuch ohne den dazugehörigen Schlüssel. Daheim überlegt er, wie das Tagebuch zu öffnen sei, sucht auch sein gesamtes Zimmer vergebens nach dem Schlüssel ab und beseitigt das Hindernis zuletzt gewaltsam mit einer Blechschere. Auf den nunmehr zugänglichen Seiten findet er die Aufzeichnungen einer ihm völlig fremden Frau. Wie der Mann bei der Lektüre verblüfft feststellen muss, ist er seinerzeit der Lebensmittelpunkt der Schreiberin gewesen ist, ohne etwas davon zu ahnen.

Dieses Romanprojekt verhalf mir zu den nächsten schmerzlichen Erfahrungen. Zum einen fiel mir absolut nichts ein, zum anderen machte ich beim Tippen meiner Versuche einige schwere Fehler, die das Schreibprogramm meines minderwertigen, wie ein Dieselmotor brummenden PC bösartig irre werden ließen. Es entstanden, egal, was ich tippte, immer und ausschließlich durchnummerierte Listen. Ich malte mir die Schande aus, die so ein Manuskript über mich bringen würde, wenn es später einmal gedruckt und gebunden in einer dieser fürchterlichen Buchhandlungen läge, und zerstörte den PC.

Anschließend schlief ich viel. Dass ich noch vor Kurzem verkündet hatte, Schlafen käme für mich nicht infrage, kümmerte mich nicht mehr. Im Traum verstand ich plötzlich alles und wachte auf, um die Offenbarung zu notieren. Es wurde abermals eine durchnummerierte Liste daraus, auch ohne PC. Nun war ich es leid und schwor dem Schreiben endgültig ab. Bis zum heutigen Tage habe ich nie wieder etwas geschrieben.

Aus lauter Rücksicht auf die Welt blieb ich am Leben, und weil ich irgendetwas tun musste, machte ich mir als Opfer von Realitätsstrahlen einen Namen - wie inzwischen nachgewiesen werden konnte, war das jedoch nicht ich, sondern jemand, der mir kein bisschen ähnlich sieht und einen Schnurrbart trägt.

Außerdem produzierte ich das Album "Böse Weltgefahr" der Berliner Band Wurstenkrisis. Alles lief perfekt, bloß mit der Niederschrift der Musiktitel hatte ich Schwierigkeiten. Die dabei entstehende durchnummerierte Liste ließ mich irre werden. Meine in dieser Verfassung proklamierte Vision des Jüngsten Gerichts empfand man jedoch als "kleinlich", und ich wurde unehrenhaft aus dem Musikdienst entlassen. Das bedeutete eine Fortsetzung meiner erwähnten leidvollen Erfahrungen. Was blieb mir nun noch? Sollte ich Tankstellen belagern, bis es dort doch einmal Schnurrbärte zu kaufen gab?

Zuerst einmal ging ich heim, um zu schlafen. Mein glatt rasierter Vater empfing mich ungewohnt fröhlich mit den Worten: "Heute ist das Böse aus der Welt verschwunden. Großmutter hat dem Teufel ein Leids getan." Müde, wie ich war, konnte ich nur antworten: "Oh, gut."

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2 Kommentare

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  • SL
    SEK Lahnstein

    Lowry, eines Tages musst du schlafen...

  • SL
    Sam Lowry

    Da werde ich ganz neidisch beim Lesen. Schlaf. Was ist das? Ich vermute nämlich, das SEK kommt nachts und ruhe daher überwiegend am Tag, den Wecker auf maximal 10 Sekunden später gestellt, auch wenn das vermutlich nicht mehr reichen würde, um, bereits in Sportschuhen und Jogginghose, das gesamte Bargeld immer am Körper, den Häschern in Masken mit durchgeladener Walther noch zu entfleuchen.

    Egal, auf welche Medien ich meine Gedanken projiziere, da ich ja eh grad wach bin und nichts Besseres zu tun weiß in meiner Existenz, binnen Sekundenbruchteilen erscheinen Menschen, die mich des Stalkings bezichtigen. Ob im Kochforum, im Skatforum, im Geister- und Ufoforum, bei taz, Bild, FAZ, in Youtube, Facebook, in Briefen, mit Kreide auf Straßen (O.K., es war seewasserfeste Farbe), auf Gefängniswänden, wo auch immer, es heißt immer sofort "Die Username ist zur Zeit gesperrt. Setzen sie sich mit wem auch immer in Verbindung. Aber nie wieder mit uns !"

    Gut, dass man mich nicht einmal mehr im Gefängnis sehen möchte, sparte mir zumindest ein Jahr Aufenthalt. Was ich heute noch schade finde, denn mit dem Gefängnisabo der taz bekam ich wenigstens Post. Allerdings fühlte sich irgendwann der Postverteil-Bedienstete, die Wäscheausgabe-Gefangenen, die Verkäuferin am gefängniseigenen Kiosk, ach alle fühlten sich von mir gestalkt. Nach der Entlassung rief ich dann mal beim Radio an, um eine Radarfalle zu offenbaren. Nein, es geht nicht, ich kann mich nicht mitteilen. Und von denen, die vorgeben, mich gerne mal übers Wochenende besuchen zu wollen, erwarte ich nach dem Besuch nicht mehr als das, was Herr Kachelmann soeben erlebt, dazu noch Anzeigen wegen Körperverletzung im Ohrbereich ob der 115 db House-Music, die hier ständig präsent sind, damit ich nicht versehentlich einschlafe und den Besuch des SEK am Ende noch verpenne.