piwik no script img

die wahrheitLigerland ist abgebrannt, Herkules flieg!

Zooirrsinn: Die Tücken der Hybridzüchtung zeigen sich an der Zeugung wahrhaft merkwürdiger Fabelwesen in den Tierparks dieser Welt.

"Letzter Liger eingeschläfert", meldete im Jahr 1995 die Nachrichtenagentur AFP. Der vermeintliche Druckfehler war gar keiner, es sollte tatsächlich Liger heißen. So wird ein Hybride aus Tiger und Löwe genannt. Solch ein Liger war vermutlich nie in freier Wildbahn anzutreffen, denn der Liger ist ein Kind des Zoos und seine Eltern sind Löwe und Tigerin.

Besagter letzter Liger lebte im Zoo von Bloemfontain in Südafrika und machte seinem Namen Tokkelos alle Ehre: Dieser bedeutet nämlich in der Zulusprache "böses Fabelwesen". Tokkelos bewies seine Bosheit, als er einen Angestellten des Zoos zerfleischte. Dieser Liger war also beileibe kein lieber Tiger. Außerdem sollte er auch nicht der Letzte seiner Art sein, denn ein anderer Bastard, der Mensch, konnte der Versuchung, mit so einem monströsen Fabelwesen Besucher anzulocken, nicht widerstehen.

Im weltberühmten Internet tummeln sich zurzeit mindestens sieben dieser Tiere. Der größte Liger heißt Herkules und wird im Guinnessbuch der Rekorde mit 3,3 Meter Länge und über 400 Kilo Gewicht als größte Katze der Welt aufgeführt. Mindestens zwei weitere Liger leben im Everland Amusement Park in Südkorea, und wer die beliebten Liger-Videos bei YouTube gesehen hat, ahnt, dass dort das Elend von Michael Jacksons "Neverland" eine Neuauflage erlebt.

In der koreanischen Variante schmusen braungebrannte Dompteure mit ihren bedauernswerten riesigen Zöglingen. Erst ein unbedachter Kameraschwenk verrät, dass die "sanften" Riesen angekettet sind. Auch im fernen Korea ist offenbar nicht vergessen, was einst Freund Tokkelos anstellte, um das ewige Schmusen mit dem Liger abzustellen.

Wichtiger als Schmusen ist dem riesigen Tier eine ungeheuere Menge an Katzenfutter, denn ein Liger übertrifft seine Eltern an Größe um rund 40 Prozent! Schöner machen Wachstum und Gefräßigkeit den Liger auch nicht gerade, man könnte ihn als riesigen Garfield mit Streifen beschreiben. Zudem ist er innerlich zerrissen zwischen der Natur des einzelgängerischen Tigers und des geselligen Löwen. Das äußert sich sogar in seiner Ausdrucksweise, denn der Hybride muss sich zwischen dem Löwengebrüll seines Vaters oder den "Paff"-Lauten der diskreteren Tiger entscheiden.

Das Gegenstück zum Liger heißt tatsächlich Töwe, was der "Töle" bedenklich nahe klingt, und geht aus der Kreuzung von Tiger und Löwin hervor. Der Töwe ist im Gegensatz zum Liger kleinwüchsig, und die Männchen sind unfruchtbar. Das mag ihre Stimmung drücken, jedenfalls sind sie nicht sonderlich beliebt bei den Zoobesuchern und sie stehen im internen Zoo-Ranking nur wenig vor anderen hässlichen "Blendlingen", wie Hybriden auch genannt werden.

Während man die "Schniege" als Kreuzung von Schaf und Ziege noch so eben durchgehen lassen kann, vereint das "Cama", ein Kamel- und Lamahybride, das trampelige Aussehen des Kamels mit der Tücke des spuckenden Lamas.

Der "Zorse", die Mischung aus Zebra und Pferd, ist zwar etwas angenehmer anzusehen als Maultier und Maulesel, bleibt aber doch seinerseits hinter dem "Zesel" zurück, dem Eselin und Zebrahengst Gestalt verliehen. Der kleine Zesel schmückt sich gewöhnlich mit den Streifen des Vaters und nimmt nicht so viel Platz weg wie ein Zorse. Ganz klar die Nummer eins bei den Kindern ist das putzige "Ponsel" - wer räts? -, die Mischung aus Pony und Esel. Alle Kinder wollen natürlich so ein Ponsel als Spielgefährten. Doch der verantwortungsvolle Elternteil wird eingedenk des bösartigen Tokkelos den Wunsch der lieben Kleinen mit den Worten abschlagen: Lasst mich bloß in Frieden / mit eueren Hybriden!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!