die wahrheit: Trauer um Weinwitze

Ernste Krise bei der Kabarett-Versicherung GAGAG

"Das wird uns teuer kommen!" Mit diesen dürren Worten kommentiert Dieter Scherler von Deutschlands erster und einziger Gag-Ausfallversicherung GAGAG den soeben gemeldeten Rücktritt von Minister Rainer Brüderle. Mit ernster Miene geht Scherler vom Radio zu seinem Rechner hinüber und lässt sich eine ellenlange Zahlenkolonne ausdrucken. Mit geschultem Auge hat er den Schaden schnell im Blick: Er dürfte bei rund 50.000 Euro liegen, die seiner Versicherungsagentur entstehen.

Scherlers Geschäftsidee hatte sich vielleicht doch zu schnell herumgesprochen im deutschen Kabarettbeamtentum und Komikproletariat, deren Existenzängste unter der schwarz-gelben Regierung stark angewachsen waren. Da waren viele froh, sich für den Fall zu wappnen, dass die tollsten Wortspiele unmöglich wurden, wenn einer der Gescholtenen zurücktreten sollte. Fast alle deutschen Pointenschleudern waren zu Dieter Scherler gekommen und hatten sich gegen den Verlust von Westerwelle, Brüderle und Co. abgesichert. Und nun wurde die Sache ernst. Das Kabarett war praktisch tot ohne die lange Liste der Zurückgetretenen. Ein Pickelgag ohne Westerwelle? Undenkbar. Eine Weinwitz ohne Brüderle? Unvorstellbar. Die Kosten trägt nun Dieter Scherler.

Aber ganz gibt sich so ein cleverer Zeitgeistprofi wie Scherler selbstverständlich nicht geschlagen! Schließlich hatte er sich mit der Gründung der eigenen Agentur finanziell auch an einer Rückversicherung beteiligt. Die Tochter der "Münchner Rück", die "Münchner Verrückt", muss jetzt nach ersten Schätzungen rund drei Viertel seiner Fälligkeiten rückerstatten.

Doch viel wichtiger dürfte die nähere Zukunft werden, wenn es um die Regierung insgesamt gehen wird. Die unzähligen Spaßmacher im Lande werden sich künftig alle um die wenigen verbliebenen lohnenswerten Minister reißen und sie in ihre Programme einbauen, selbst eine Spaßbremse wie Verkehrsminister Ramsauer. Aus diesem Grund überlegt Scherler, demnächst ein neues Versicherungspaket anzubieten, mit dem er die Verluste womöglich mehr als kompensieren könnte - eine Art Regierungsrücktrittskomplettpaket.

Da klingelt das Telefon. Zum Erstaunen Scherlers ist es der frischgebackene Exminister Brüderle, der in heiterstem Fastdeutsch dem Gag-Agenten klarzumachen versucht, dass er "gleich mal rüberkommen werde", um sich sein "persönliches Regresssümmchen" abzuholen. Während sich der Versicherungsmann verwirrt über die kraus gelegte Stirn fährt, hilft ihm der Pfälzer auf die Sprünge. Er habe das damals sehr wohl mitbekommen mit dieser genialen Geschäftsidee Scherlers. Schließlich habe er sie als zuständiger Wirtschaftsminister eigenhändig genehmigen müssen. Und da habe er unter dem unverdächtigen Künstlernamen "Wolfgang Kubicki" ein Comedyprogramm angemeldet und hoch gegen den eigenen Rücktritt versichert.

Scherler schaut aus dem Fenster seines Bürohochhauses. Vor seinem inneren Auge sieht er nicht nur Brüderle, sondern gleich eine ganze Polonaise ehemaliger Würdenträger anrücken. Leider erkennt er erst jetzt die schändlichen Machenschaften des politisch-kabarettistischen Komplexes …

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kari

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