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die wahrheitAlles so harmonisch hier

Kolumne "Im Jahr des Hasen": Die Kunsthistorikerin Zhu Ling betreibt in Berlin eine recht normale Galerie für chinesische Kunst...

...Frau Zhu unterscheidet sich eigentlich nur dadurch vom Mainstream des deutschen Kunstbetriebs, dass sie Ai Weiwei, der Anfang April auf dem Pekinger Flughafen festgenommenen wurde, nicht für einen allzu großen Künstler hält. Sie ist auch der Überzeugung, Ai sei bislang allenfalls verbal als Gegner der chinesischen Regierung aufgetreten, habe aber tatsächlich immer wieder gute Geschäfte mit lokalen Regierungen in China oder parteinahen Immobilienmagnaten gemacht. Das alles beschreibt sie in einem chinesischen Blog, und vieles von dem, was sie dort schreibt, ist gut begründet.

Die Galeristin kritisiert Ai in dieser Weise bereits seit einiger Zeit. Doch erst nach der Festnahme Ais wurde ein deutscher Journalist auf sie aufmerksam. Er befragte Zhu und veröffentlichte ihre kritischsten Sätze über Ai in einem Artikel, der in etlichen deutschsprachigen Zeitungen erschien. Zhu Ling war korrekt zitiert worden, doch überschrieben war der Text mit der Feststellung, sie habe "Vorlagen" für eine "Rufmordkampagne" des chinesischen "Regimes" geliefert.

Das hat nun Zhu ganz und gar nicht. Auch billigt sie den Umgang der Behörden mit Ai Weiwei keineswegs. So wäre denn ihre Kritik eine gute Gelegenheit gewesen, auch einmal in den hiesigen Medien über die Rolle Ais im internationalen Kunstbetrieb zu diskutieren. Dabei hätte man ganz en passant der chinesischen Öffentlichkeit demonstrieren können, worin sich die deutsche Presse von der chinesischen unterscheidet. Doch eine solche Debatte gab es nicht. Stattdessen wurden in deutschen Medien wiederholt Leute zensiert, die sich differenzierter zu Ai geäußert hatten.

Auch über ein paar dieser Fälle hat Frau Zhu in ihrem Blog berichtet. Unter anderem zählt sie einen verstümmelten Aufsatz im Berliner Tagesspiegel auf und ein Rundfunkinterview, aus dem die Ai-kritischen Passagen herausgeschnitten wurden. Auch ich finde in ihrem Blog Erwähnung. Eine große Zeitung aus Frankfurt mochte nämlich unter anderem deshalb ein Interview mit mir nicht drucken, weil ich darin geäußert hatte, Ai sei als Künstler überschätzt. Ich hatte Ai zwar gleichzeitig für ein paar seiner Aktionen gelobt und selbstverständlich auch sein Verschwindenlassen durch die chinesischen Behörden kritisiert, doch das hat das Interview nicht gerettet.

Am Ende konnte auch die Berliner Galeristin lediglich in der Schweizer NZZ einen Artikel unterbringen, in dem sie ausführlicher darlegen durfte, was sie an Ai stört. In den deutschen Feuilletons erschienen derweil eine Vielzahl von Ai-Porträts, in denen der Mann unisono als großer Künstler und enormer Dissident gefeiert wurde. An einer wirklich kontroversen Debatte ist man offenbar hierzulande nicht interessiert. Kein Wunder also, dass immer mehr Chinesen glauben, die deutsche Presse würde ebenso "harmonisiert" wie die in China. Und auch mir gelingt der Beweis des Gegenteils nur noch sporadisch.

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3 Kommentare

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  • LB
    lao bendan

    Ich habe kein Kunstverstaendnis und kann das nachweisen.

     

    Ich lebe als Deutscher in China. Es sieht ganz danach aus, als haette ich mir vor 25 Jahren einen Virus eingefangen, der mich immer wieder, immer haeufiger auf die immer gleiche Reise geschickt hat, und mir permanent vorspiegelte, hier liesse es sich gut leben, - bis ich eines Tages alle kritischen Fragen aufgab und endgueltig in dem Land geblieben bin. Von anderen ungluecklichen Landsleuten weiss ich, dass sie von ihren chinesischen Freundinnen verschleppt wurden. China ist wie eine Krankheit, koennte man sagen.

     

    Nun lese ich in deutschen Presseberichten, dass es hier zuvorderst an ganz elementaren Grundrechten fehle. Also fragte ich meine chinesischen Nachbarn, was sie von mehr persoenlichen Freiheiten halten wuerden. Sie sahen mich traurig an und dachten, ich waere wohl uebergeschnappt, immerhin bin ich, dem Mondkalender nach, unlaengst siebzig geworden.

     

    Ihr muesst wissen, meine Nachbarn im Dorf haben Haeuser, oft gleich mehrere in der Familie, sie fahren grosse, dicke Autos und fliegen oefter mal nach Europa, sie werfen tagtaeglich ihr Geld zum Fenster hinaus, aber das alles lest ihr ja auch in euren Presseberichten. Ich hakte nach, und wollte erfahren, was sie denn von den vielen, verfolgten Kuenstlern und Dissidenten halten wuerden. Ach meinten sie, die waeren ihnen reichlich egal. Egal ? Ja, sagten sie, die wuerden im Ausland publizieren und deshalb wuesste keiner was sie eigentlich wollten, ausser hochkaraetige Einladungen halt, Geld und blonde blauaeugige Hexen. Denn wenn jemand etwas zum Sagen habe, koennte er ja, anonym oder nicht, in den Mikroblogs publizieren, und abwarten, ob es anderen gefaellt, sich weiter verbreitet, oder von Geisterhand geloescht wuerde.

     

    Nein, man ist nicht ungluecklich hier im Dorf, es gibt viel zum Lachen, auch ueber sich selbst. Wie sieht es in Deutschland aus ?

  • MW
    martin wehmer

    dem ist nichts dazufügen,,,,,

    gut und differenziert geschrieben, jetzt langsam kann man ja doch einige bessere artikel lesen, wenn gleich ich vermute das der mainstraim dadurch nicht aufgehalten wird

    bm

  • ES
    ergo strasser

    Danke, Herr Schmidt, endlich wird dieses Thema einmal angesprochen.

    Ich habe mich immer gefragt, wieso die deutschen Medien in Sachen Ai Weiwei so einseitig berichten Unter meinen zahlreichen Freunden gibt es lediglich einen, der Ai Weiwei als Regimekritiker und Künstler akzeptiert, der Tenor geht dahin, dass er von Uli Sigg als regimekritischer Künstler installiert wurde und Ai Weiwei seine sogenannte Regimekritik instrumentalisiert, um auf dem westlichen Kunstmarkt hohe Preise zu erzielen. Ich bin Frau Zhu dankbar, dass sie dies in der NZZ thematisiert hat. Das ist handfeste Kunst- und Künstlerkritik. Danke Frau Zhu, danke Herr Schmidt.

    Ich kann nur hoffen, dass die Artikel von Frau Zhu und Herrn Schmidt zum Auslöser einer Diskussion über Kunst, Geld und Medien führen.