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die wahrheitScheinkrass am Limit

"Sie werden verstehen, dass alles, was ich ihnen sage und zeige, strengster Geheimhaltung unterliegen muss." Der Mann im weißen Kittel schaut uns misstrauisch an...

Angeblich ein Herrscher im Reich des Rausches: Keith Richards. Bild: reuters

...Wir beeilen uns, ihm zu versichern, dass wir schweigen werden wie Gräber. Konrad Klausen (Name geändert) scheint beruhigt zu sein und öffnet uns die Tore zu seiner streng geheimen Fabrik, die nie ein Außenstehender zuvor betreten hat.

Während er uns durch die sterilen Gänge an riesigen dampfenden Bottichen und zischelnden Apparaten vorbeiführt, erzählt er uns seine Erfolgsgeschichte.

"Die Idee zu dem Unternehmen hatte ich 1989, als ich als Catering-Gehilfe bei einem Konzert von Frank Sinatra und Sammy Davis jr. arbeitete. Sie ahnen ja nicht, was solche Stars für exzentrische Sonderwünsche haben." Der korpulente Endvierziger schmunzelt spitzbübisch. "Frankie zum Beispiel verlangte unbedingt Tee in seine Whiskeyflasche - heimlich natürlich. Und Sammy wollte Wasser statt Wodka, unglaublich oder?"

Klausen brauchte damals eine Weile, um den Schock darüber zu verwinden, dass sich in der Show-Welt eine so große Kluft zwischen Schein und Wirklichkeit vor ihm auftat. "Die tun alle so, als wären sie krass drauf und würden ständig saufen oder Drogen nehmen - dabei sind das alles Saubermänner und -frauen, die früh zu Bett gehen in pastellfarbenen Pyjamas." Ein Zug von Bitterkeit legt sich bei diesen Worten um Klausens Mund.

So enttäuscht er war, so beschloss er doch schließlich, aus seinem Wissen Profit zu schlagen. Er baute sein Unternehmen auf: "Frankies Secrets". Hier wurden zunächst Tees in allen erdenklichen Whiskey- und Whiskyfarben hergestellt, in Originalflaschen abgefüllt und an Veranstalter von Rock- und Popkonzerten verkauft. "Die rannten mir die Bude ein und waren heilfroh, dass sie den Quatsch nicht mehr selbst fabrizieren mussten."

Auch die Hersteller der Originalgetränke profitieren wegen der Werbung von Klausens Service und überlassen ihm gern ihre Verpackungen. Heute beliefert Klausen hochkarätige Stars direkt mit allen erdenklichen Fakes: von Wodka bis Champagner - jede angeforderte Alkoholart können er und seine Mitarbeiter perfekt imitieren. Und nicht nur das: Inzwischen hat er sich auch auf Drogenfälschungen spezialisiert. "Wissen sie, es kommt doch häufig vor, dass so ein Rockstar öffentlich eine Line ziehen will, aber kein Kokain verträgt. Da schaffe ich Abhilfe …"

Keith Richards, Lemmy Kilmister, Kid Rock, Axl Rose und Amy Winehouse gehören inzwischen zu seinen Stammkunden, um nur einige zu nennen, die den Stoff aus Puderzucker inhalieren oder spritzen.

"Das A und O meines Geschäftes ist absolute Diskretion, darauf können sich meine Kunden verlassen. Nicht auszudenken, wenn etwas an die Öffentlichkeit gelänge …" Nachdenklich verlassen wir die geheime Fabrik. Wir haben uns überzeugen lassen. Auch wir werden künftig beim täglichen Ausritt in die Welt des Rauschs unserem Drogenpferdchen ein neues Geschirr anlegen. Und wenn es aus Zucker ist.

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