die wahrheit: Die Waffel des Ritters
Die deutschen Nationalspieler Sami Khedira und Mesut Özil schliefen noch in ihren Wasserbetten, als sich die Nachricht in der spanischen Hauptstadt verbreitete...
...Ihr Trainer José Mourinho steht beim Fußballverein Real Madrid offenbar kurz vor der Entlassung. Grund ist ein 130-seitiges nervenärztliches Gutachten, das die Zeitung El País nun veröffentlichte.
Demnach soll sich Mourinho bereits 2006 in seiner Zeit als Trainer des FC Chelsea einer psychologischen Untersuchung unterzogen haben. Murphy Law, ein international anerkannter Experte für Neurologie und Psychiatrie an der University of London, der auch den österreichischen Inzest-Vater Josef Fritzl und den norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik begutachtet hat, bescheinigte Mourinho eine "schwere Persönlichkeitsstörung" mit dringendem Verdacht eines "schizophrenen Defektzustands". Erlebnisse in seiner Kindheit und die von großer Kälte geprägte Beziehung zur Mutter hätten "zu emotionaler Invalidität" geführt, zitiert das Blatt aus den streng vertraulichen Unterlagen.
Der 48-Jährige sei "ein zerrissener Mensch mit Leidenschaften, die er nicht beherrschen" könne. Zudem habe Mourinho selbst geäußert, "für jemanden, der zum Größenwahn geboren sei, habe er lange durchgehalten", schrieb Law.
Real Madrids Vereinschef Florentino Pérez sagte, man habe natürlich gewusst, dass Mourinho "einen an der Waffel hat". Dies sei aber kein Grund gewesen, ihn nicht unter Vertrag zu nehmen. In letzter Zeit seien Pérez jedoch Zweifel gekommen, ob "The Special One" nicht doch "zu speziell" sei. Nach massiven Pöbeleien, Handgreiflichkeiten und zahlreichen Sperren - Mourinho hatte unter anderem Barcelonas Assistenztrainer einen Finger ins Auge gebohrt und den europäischen Verband Uefa beschuldigt, ihn "töten" zu wollen - gab der Portugiese zuletzt Sami Khedira die alleinige Schuld an einer Niederlage.
Zudem kamen Details über fragwürdige Trainingsmethoden ans Licht. Mourinho stachle seine Spieler emotional auf, indem er ihnen Reden von Joseph Goebbels und Adolf Hitler vorspiele. Wer unpünktlich sei, erhalte 20 Stockschläge auf den nackten Hintern oder müsse die Nacht im Stehbunker verbringen, berichteten spanische Medien. Im Interview mit dem Kicker sprach Mesut Özil kürzlich nur in Andeutungen von seinen Leiden: "Neulich hat er mich sogar gezwungen, mit Cristiano Ronaldo Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen, nur weil ich mal danebengeschossen habe."
Nach Auffassung Laws sei zu befürchten, dass der Trainer "weitere schwere Taten begehen" würde, ließe man ihn auf freiem Fuß. Er empfahl daher eine Sicherungsverwahrung. Laut El País habe der FC Chelsea das Dokument unter Verschluss gehalten, da der Club seinerzeit kurz vor dem Gewinn der englischen Meisterschaft stand und man die Mannschaft nicht unnötig habe beunruhigen wollen.
Die Madrider Presse hat bereits die Loyalität zu Mourinho aufgekündigt. Im Club herrsche ein "Klima der Angst", schrieb die Sportzeitung AS. Und Reals ehemaliger Präsident Ramón Calderón befürchtete Schlimmstes: "Mourinho hat schon Krieg mit der ganzen Welt geführt - in Portugal, in England und in Italien." Er sprach sich für die sofortige Entlassung des Trainers aus.
Mourinho selbst wollte sich zu dem Gutachten nicht äußern. Bei einer Pressekonferenz sagte er nur: "Ich komme direkt nach Gott, ich bin der Auserwählte, und wenn der Club mich richtet, dann wird er schon sehen, wozu ich fähig bin." Er schreibe derzeit an einem umfangreichen Manifest über die Zukunft des spanischen Fußballs, der von einem "alles kontrollierenden Multikulturalismus" zerstört werde. Er selbst sei der Kreuzritter, der an der Spitze einer neuen "Widerstandsbewegung" reite. Vor allem das Schiedsrichterwesen müsse "gründlich gereinigt" werden. "Die ersten vier Seiten habe ich schon", sagte Mourinho.
Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, kann die Aufregung nicht verstehen. Mourinho sei "ein hervorragender Trainer, da muss man ihm nicht jede Kleinigkeit ankreiden". Der Portugiese sei eben "kein Schwächling wie Ralf Rangnick", der vergangene Woche bei Schalke 04 wegen eines Burnout-Syndroms zurückgetreten war. "Mourinho hatte schon immer Eier in der Hose, auch wenn es mal nicht so läuft", so Hoeneß. Bundestrainer Joachim Löw hingegen sprach Mesut Özil und Sami Khedira sein Mitgefühl aus. Die Nationalspieler könnten jederzeit bei ihm zu Hause übernachten, falls sie sich jetzt allein im Dunkeln fürchteten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity