die wahrheit: Abenteuer im Pulli
Die Island-Woche der wahrheit: Mein Vater war Zimmermann. In den eisig-kalten Wintern der sechziger Jahre trug er Island-Pullis, wenn er zur Arbeit ging.
M ein Vater war Zimmermann. In den eisig-kalten Wintern der sechziger Jahre trug er Island-Pullis, wenn er zur Arbeit ging. In denen konnte man Schneestürme und Eisregen überstehen. So erfuhr ich zum ersten Mal von diesem geheimnisvollen, wüsten Land im Norden Europas. Ich wollte auch einen Island-Pulli. Als ich neun wurde, bekam ich ihn. Nun war ich gerüstet für alle Abenteuer, von denen ich träumte, Abenteuer mit Eskimos, Wikingern und als Tarzan im Dschungel, denn nachts war es auch im Dschungel kalt.
Vor drei Jahren reiste ich in mein Traumland. Island. Ich wanderte an der Küste entlang zu den mythischen Felsen von Londrangar. Ich stieg auf Vulkane. Ich wollte zu geheimnisvollen Orten und hatte mir extra einen Island-Pulli gekauft. Es schien die Sonne, ich schwitzte wie Hulle und bekam einen isländischen Sonnenbrand.
Ich stieg der Sonne weiter entgegen und hoffte auf Heißeres, auf Lava. Ich stieg auf den Vulkan Snaefellsjökull. Hier waren ein paar Jahre vor mir andere Deutsche, Professor Lidenbrock und sein Neffe Axel, sowie der Isländer Hans zu einer "Reise zum Mittelpunkt der Erde" eingestiegen und auch heil zurückgekehrt. Am Stromboli waren sie wieder herausgekommen. Drei Männer in Island-Pullis.
Das Geheimnisvollste an Island sind die Trolle und Elfen. Viele Isländer glauben ohne jeden Zweifel an die Existenz dieser Wesen. Ihre Gegenwart ist ihnen so selbstverständlich und wahr wie ein Papstbesuch in Berlin, Erfurt oder Freiburg. Ich übernachtete in einem Bed & Breakfast. Die Hauswirtin Hekla fragte ich: "Glaubst du an Feen und Elfen?", und sie antwortete: "Natürlich! Drüben im Felsen wohnt ein Paar mit zwei Kindern. Vom Huldevolk. Hidden People. Sie gehen oft auf der Straße spazieren, mit den Kindern an der Hand. Ich habe ihnen auch bei einer Geburt geholfen."
In Deutschland würde man nach dieser Aussage ein Entmündigungsverfahren einleiten. Sie sprach weiter: "Es ist mir nur unheimlich, wenn mein Mann auf See ist und dann der Vater nachts um unser Haus schleicht." Es war die erste Nacht seit Jahrzehnten, die ich bei geschlossenem Fenster schlief. Im Island-Pulli.
In Bjarnarhöfn traf ich Egill und Dagur, gestandene Männer. Haifischer!! Sie betreiben nebenbei ein kleines Museum. Ich fragte sie: "Glaubt ihr an Feen und Elfen?", und sie antworteten: "Klar! Sie wohnen drüben im Felsen!" - "Und was macht ihr mit ihnen?" Erschrocken sahen sie mich an: "Am Besten, man lässt sie in Ruhe!"
Auf dem Rückweg besuchte ich noch den Elfenpark von Hafnarfjördur. Man kann sich dort einen Stadtplan kaufen, in dem alle Wohnorte der unsichtbaren Völkerschaften eingezeichnet sind. Im Park lernte ich Soley kennen. Sie versorgte in einem umzäunten Gelände Bonsais aus aller Herren Länder. Islands "Botanischer Garten". Ich fragte: "Glaubst du an Trolle oder Elfen?" Ganz langsam antwortete sie und schüttelte den Kopf: "Nein, Bernd. Ich glaube … eher nicht." Sie sah mich an und ergänzte: "Aber meine Tochter ist mit zweien befreundet."
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