die taz vor zehn jahren über das un-minenverbot und neue high-tech-minen aus deutschland :
Mit seiner überraschenden Erklärung, daß die Bundeswehr in Zukunft auf Antipersonenminen verzicht, hatte Volker Rühe ein „positives Signal“ setzen wollen für die heute beginnende Genfer Verhandlungsrunde über ein Verbot dieser Mordgeräte. Rühes Kabinettskollege Klaus Kinkel, der „schon lange“ auf einen derartigen Verzicht „gedrängt hat“, heftete sich den „Erfolg“ eiligst an die eigene Fahne. Und unisono machten die beiden Bonner Minister „Indien, China und Rußland“ als die verbliebenen bösen Buben am Genfer Verhandlungstisch aus, deren Widerstand gegen eine Verschärfung des UNO-Minenprotokolls jetzt noch zu überwinden sei.
Rühe und Kinkel müssen sich vorwerfen lassen, die heimischen Bevölkerung und die Partner am Genfer Verhandlungstisch irregeführt zu haben. Ziel der Genfer Verhandlungen ist die Reduzierung der Gefahr für Zivilisten, die von Minen ausgeht. Rühe wußte jedoch längst, daß sein Ministerium neue High-Tech-Minen entwickeln läßt, die für Zivilisten nicht weniger gefährlich sind als herkömmliche Antipersonenminen. Die deutsche Delegation in Genf sorgte mit anderen westlichen Unterhändlern für das notwendige Schlupfloch in einem künftigen Abkommen. Hierfür trägt Kinkel die politische Verantwortung, auch wenn er über die Details nicht informiert gewesen sein sollte.
Die Täuschungsmanöver der Bundesregierung bestärken den Verdacht, es gehe Bonn und anderen westlichen Staaten bei der Verschärfung des UNO-Minenprotokolls weniger um ein humanitäres Anliegen, als darum, sich durch ein Verbot der billigen Antipersonenminen herkömmlicher Art künftig den Weltmarkt für die eigenen „High-Tech-Entwicklungen“ zu sichern. Das ist natürlich keine Entschuldigung für China, Rußland, Indien und andere Staaten, die sich in Genf bislang noch Restriktionen bzw. Verboten für herkömmliche Antipersonenminen widersetzen.
Andreas Zumach in der taz vom 20. 4. 1996