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Archiv-Artikel

die taz vor achtzehn jahren über die sprache der raf

Sie fordern die Diskussion mit allen, „die Schluß machen wollen mit der imperialistischen Zerstörung“, und am Anfang steht, quasi als Eröffnungsbeitrag, ein Mord. Der „Bekennerbrief“ der sich RAF nennenden Gruppe, die am 30. 11. den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, in die Luft sprengte, ist der krampfhafte Versuch eines erschwindelten Neuanfangs. Was ist das Charakteristische dieser nachgereichten schriftlichen Begründung? An der Sprache dieses Textes fällt das Lakonische auf, diese Beiläufigkeit, mit der der Mord begründet wird. Der Ton ist so technokratisch wie die Ausführung der Tat. Wird der Mord überhaupt begründet? Untersucht man die Metaphorik, verrät sie, daß eine Begründung fehlt. Wie bei dem Mord an Gerold von Braunmühl wird die Tat abgeleitet aus der allgemeinen Kapitalbewegung. Eine böse Welt als etwas Äußeres. Die Substantive der Beschreibung sind Leerformeln: Blutspur zweier Weltkriege, Ausbeutung, Symbol für Macht und Herrschaft, Imperialismus, Völkermord, Hunger, Erniedrigung, Existenzunsicherheit (!), umfassende Zerstörung, existenzielle Dimension, völlig veränderte internationale Situation. Dagegen setzt die RAF wiederum eine leere Formel, ihr vermeintliches Anliegen: eine an den Menschen orientierte gesellschaftliche Realität. Sie bauen sich als das menschliche Gegenüber der bösen Welt auf. Sie müssen die Welt dabei dämonisieren und werden selber zu Dämonen. Ihre Sprache verrät sie. Sie ist so kalt und leblos wie die Sprache der sogenannten Schreibtischmörder. „Die revolutionären Prozesse sind die Erfahrungen, die aus der Agonie zwischen Leben und Tod heraus hin zu einem entschlossenen Kampf für das Leben geführt werden.“ So die RAF. Agonie ist passiver Todeskampf, kein Kampf zwischen Leben und Tod. Aus einem Zustand der Agonie – und den sehen wir bei der RAF – heraus kann kein Kampf für das Leben geführt werden, als revolutionäre Erfahrung schon gar nicht.Max Thomas Mehr, 7. 12. 1989