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Archiv-Artikel

die taz vor 13 jahren über die neue superkartoffel

Daß die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln ernten, ist in Wahrheit großer Quatsch. Den Beweis liefern die Gen-Chirurgen des Berliner Instituts für genbiologische Forschung. Sie haben die Kartoffeldame „Desiree“ genommen, ihr ein Gen aus der Bäckerhefe reingeklempnert und jetzt schon in der dritten Erbfolge doppelt so dicke Knollen wie zuvor erhalten: bollerig große, rote, appetitliche Superkartoffeln. Das müßte doch endlich auch jene grün-linken Latzhosenbrigaden in Begründungsnotstand bringen, die noch immer die Gentechnik verteufeln wollen.

Man stelle sich doch nur mal das Endprodukt dieser formidablen Entwicklung vor: die Titankartoffel mit dem implantierten Elefanten-Gen. Riesengroß. Zentnerschwer. Macht ganze Kompanien pappsatt. Geerntet wird sie unter Einsatz modernster Fördertechnik mittels hydraulischer Hebezeuge.

Wie bitte? Sagt da jemand, die kleinen Kartoffeln schmecken besser? Wo leben Sie denn! In unseren Big Otto läßt sich doch mühelos ein pikanter Salz- oder Knoblauchgeschmack reindoktern, vielleicht mit einem Hauch Maggi. Die Süßkartoffel mit dem Lakritz-Gen wäre für unsere Kleinen bestimmt und eine herzhafte Variante mit der Pfeffer-Chili-Kreuzung für das starke Geschlecht. Alles machbar.

Okay, da wäre dann noch die Akzeptanzfrage. Aber auch das ließe sich regeln, ohne der deutschen Hausfrau ein Dämlichkeits-Gen einzusetzen. Big Otto kriegt den Grünen Punkt mit Umweltengel, weil er durch sein optimiertes Schale-zu-Stärke-Verhältnis viel weniger Abfälle erzeugt, weil er die Anbaufläche reduziert und bei weniger Einzelpflanzen den Gifteinsatz überschaubar hält. Zudem schafft er Arbeitsplätze: Millionen von Kellerschächten müssen verbreitert, Restaurantküchen umgebaut, Pfannen und Töpfe vergrößert werden. Sie sehen: Wir brauchen die Superkartoffel. Und wir brauchen die Gentechnik.

MANFRED KRIENER

29. 10. 1992