piwik no script img

die stimme der kritikBetr.: Nörgelnde Frauen

Lang lebe Xanthippe!

„Oh Mann, meine Alte nörgelt mal wieder dauernd an mir rum . . .“ Männer, Stammtischbrüder, Familienväter, aufgepasst, wenn demnächst in trauter Runde mal wieder so einer dieser so typischen mitleidheischenden Sätze fällt: Dem Kerl geht’s eigentlich gut!

Kaum etwas scheint der männlichen Gesundheit nämlich besser zu bekommen als eine nörgelnde Frau zu Hause – so jedenfalls das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung von 3.000 Ehepaaren, die an der Universität Chicago durchgeführt wurde.

Wenn die Frau ganztags arbeitet, so fand die neue Studie aus Amerika heraus, nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Ehemann in einem guten gesundheitlichen Zustand ist, um über 25 Prozent ab! Als wichtigsten Grund dafür identifizierten die Chicagoer Wissenschaftler einen Mangel an „Gesundheits-Nörgelei“, die im englischen Originaltext „health nagging“ genannt wird: Die von ihrem Fulltime-Job ausgefüllten Frauen seien nicht mehr in der Lage, ihrem männlichen Partner in Sachen Körper- und Gesundheitspflege dauernd in den Ohren zu liegen.

Wenn aber niemand da ist, der keift „Lass dir endlich mal deinen verdammten Zahnstein entfernen!“, „Kümmere dich doch bitte um deinen Fußpilz, es wird Zeit“, „Musst du wirklich schon wieder den ganzen Abend die Bude vollqualmen, Mensch!?!“ – dann geht’s gesundheitlich bergab mit den Männern.

Ross Stolzenberg, der die Studie leitete, macht dafür die in der Kindheit erlernten Rollenverhalten verantwortlich: Jungen würden zu Unbekümmerheit und Rücksichtslosigkeit, Mädchen zur Hege und Pflege erzogen – beides bezogen auf sich selbst und auf andere. Frauen aber gelingt es offenbar besser, die männlichen Verhaltensweisen zu übernehmen und dennoch sich selbst nicht zu vergessen, als umgekehrt: Ob die Frauen arbeiteten oder nicht, ihr Gesundheitszustand blieb, so ein weiteres Ergebnis der Studie, stets derselbe.

Männer dagegen, so scheint es, sind mit der „Sorge um sich selbst“ (Foucault) immer noch hoffnungslos überfordert. Und was lernen wir daraus? Sokrates, der erste Weise des Abendlands, tat wohl doch nicht so schlecht an seiner Xanthippe, die ihn, zum Gespött der antiken Saufkumpanen, zeternd nach Hause zitierte.

Lang lebe das Genörgel, Gekeife und Gezeter! Um der eigenen, männlichen Gesundheit willen: Wer nicht fühlen lernt, muss hören!

MATTHIAS BRÖCKERS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen