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die stimme der kritikBetr: Eine Sportnation sucht ihre Identität

Sind wir ein Volk von Wildwasserkanuten?

Mir san mir, spricht der Bajuware. Eine im Grunde äußerst unbedachte Äußerung. Weil: Wer sind wir wirklich? Vor allem: Wer sind wir sportlich?

Eine Fußballnation, das zumindest haben wir internalisiert, sind wir seit dem missglückten Betriebsausflug zur Europameisterschaft eher nicht. Schwimmen klappt bei uns auch nicht: Selbst unsere Besten werden als „Molche“ verhöhnt. Unser Brust-Landesmeister rapportiert, er habe „Wasser geschluckt und irgendwie keine Luft gekriegt“. Hat ihm das denn wieder keiner gesagt, dass Marathonläufer viel, Schwimmer hingegen während ihrer Leibesübung eher wenig trinken und essen?

Also: Wer sind wir? Sind wir ein Volk von Wildwasserkanuten und Ruderern? Läuft es darauf hinaus? Müssen wir unsere Sechsjährigen mit dem Paddel in den Whirlpool stecken?

Immerhin: Zweimal Gold auf dem Rad und Jan Ullrich noch im Köcher. Sind wir also ein Volk von Radfahrern? Heißen wir in Wahrheit alle Adolf Hennecke? Der kam nur ein einziges Mal in seinem Leben zu spät zur Arbeit, als er, wie eine Untersuchungskommission herausfand, mit solcher Wucht in die Pedale trat, dass er sich mit dem Hinterrad ins Vorderrad fuhr.

Jedenfalls sind wir kein Reitervolk. Selbst wenn uns der Engländer gerne als „Hunne“ schmäht, ganz so, als würden wir, an der Mähne wilder Hengste festgekrallt, unter Absingen schmutziger Lieder brandschatzend den Kontinent aufmischen. Dabei sind wir dankesfroh, wenn im Olympiagelände zwei von vier Reitern ohne Schleuderhirntrauma und notgeschlachteten Rappen durchs Ziel humpeln.

Schießen? Können wir nicht, Boxen? Nein! Fechten? Na ja. Schnell weglaufen – der Sprint ist ein uralter Fluchtreflex – können wir seit Jahren nicht. Heinz Fütterer lief am 31. Oktober 1954 im Mitsuzawa-Stadion in Yokohama mit wehendem Leibchen, Flatterhose und Turnschuhen, in denen Herr Maurice Greene nicht einmal aufs Klo ginge, saubere 10,2 Sekunden. Im Vorlauf von Sydney schied Marc Blume im Hightech-Ganzkörperdress in 10,42 Sekunden aus und hätte damit fast noch die Rücklichter von US-Dopingeule Florence Griffith-Joyner (10,49 Sekunden) gesehen. Oh, oh!

Sind wir denn – huiii, Silber für Amelie Lux – womöglich ein Volk von Surfern? Wenn schon nicht im Internet, so doch immerhin im Wasser? Müssen wir jetzt alle in Hawaii Urlaub machen?

Sie sehen: Unsere Identität bleibt wacklig. Wir geben zurück in die (an)geschlossenen Anstalten.

MANFRED KRIENER

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