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die stimme der kritikBetr.: Erinnerungslücken und Beweismittel

Fischer und die Frühstückseier

Was verschweigt uns der Außenminister nun schon wieder? Alles muss auf den Tisch! Auf den Frühstückstisch, nebst Tellern und Tassen. Die Frage nach Vollzähligkeit und Zustand des Geschirrs im Schranke der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist zutiefst ungerecht. Sieben Strafanzeigen gegen Fischer zwingen wohl auch erwachsene Menschen in bescheuerte Situationen. Man muss sich das mal vorstellen: Herr Fischer, haben Sie mit Frau Schiller gelebt? Nein, wird er sagen. Haben sie mit ihr gewohnt? Nein, wird er wieder sagen. Hat die Frau bei Ihnen übernachtet? Auch wieder nein. Haben Sie mit ihr gefrühstückt? Weiß nicht mehr, kann sein, wird er sagen.

Und welche Frage kommt dann? Gab es Eier oder keine? Waren die gebraten oder gekocht? Wurde auf Terroristenart mit dem Messer geköpft oder ordentlich klandestin mit dem Löffel? Gab es Marmelade? Butter oder Margarine?

Warum eigentlich sollen Staatsanwälte weniger dumme Fragen stellen als jene Journalisten, die ernstlich bei ehemaligen Frankfurter Mitbewohnern abfragen, wie oft Herr Fischer wohl mit Frau Schiller geredet haben könnte? Und in inquisitorischem Tonfall darauf beharren, sie hätten ein Recht auf Antwort? Und das Information nennen? Wer war Morgenmuffel, wer Frühaufsteher? Wer kennt wen, der wen kennt, der mit Fischer gefrühstückt hat? Und wer mochte überhaupt Eier? Nennen Sie Namen, haben Sie Fotos? Wirklich wahr: „Sie müssen doch Fotos aus der Wohngemeinschaftsküche haben!“ Was nicht noch! Wer hat abgewaschen vielleicht? Oder: Wer hat bei Mami waschen lassen, wer hatte schmutzige Wäsche oder gar einen Terroristen im Schrank versteckt?

So werden Erinnerungslücken zu Beweismitteln geadelt und beschäftigen Staatsanwälte. Nun mag ja wohl ernstlich niemand, der seinen Verstand noch einigermaßen beieinander hat, annehmen, dass Fischer und seine ehemaligen Mitbewohner auch nur entfernt irgendetwas mit der RAF oder anderen Ballermännern und -frauen jener Zeit am Hut hatten. Die Jagd nach Intimitäten aus Fischers Vergangenheit aber wird weitergehen. Sie wird, sich selbst heckend, mit jeder beantworteten Frage neue aufwerfen und damit jene Widersprüche erst produzieren, von denen sich seit Monaten – als mediale Frühstücksfernsehspiegeleierscheiben – so trefflich zehren lässt. Fischer ist das Huhn, das, ausgeschlachtet und in die Pfanne gehauen, dennoch die goldenen Eier legt. Man kann das durchaus Dialektik nennen.

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