die stimme der kritik: Betr.: Schalke und AdOLf
Die Zeit der Versprecher ist vorbei – und der Sommer auch
Einerseits freut man sich, dass die Bundesligasaison wieder angefangen hat, andererseits ist es auch traurig. Denn der Saisonbeginn bedeutet ja nicht nur, dass wir wieder schön Fußball gucken, sondern auch dass die Sommerpause zu Ende ist und der Sommer, der gerade angefangen hat, finster mit seinem Abschied droht. Es mag im Sinne der protestantischen Arbeitsethik liegen, die den Augenblick für die Aussicht auf einen zukünftigen vermeintlichen Gewinn verrät, mitten im Sommer via Sommerschlussverkauf und Fußball das Ende des Daimler-Benz unter den Jahreszeiten anzudeuten. Schön ist es trotzdem nicht, auch wenn die Bundesliga eigentlich erst nächsten Samstag mit dem ersten Heimspiel von Schalke 04 in der neuen Schalke-Arena beginnt.
Der HSV spielt dagegen in der „AOL-Arena“. Wir erinnern uns: Für ein paar Mark hatte der HSV den alten Namen seines Stadions an AOL verkauft. Das Volksparkstadion soll nun „AOL-Arena“ genannt werden. Die Mitarbeiter sind angewiesen, nicht mehr den alten Namen zu verwenden. Eine Schonfrist läuft am 1. Oktober ab, meldet dpa. Nur bei Interviews der Profis nach dem Spiel gibt es einen Monat Aufschub. „Die Zeit für Versprecher läuft irgendwann ab“, so HSV-Vorstandssprecher Werner Hackmann. Orwell’sche Verhältnisse! Die dürfen das sogar. Absurd. Und dass das auch so schnell geht.
Was kann das Volksparkstadion dafür? Und wenn man selbst seinen Namen ändern wollte, wäre das viel komplizierter, und man dürfte sich vermutlich auch nicht einfach Ocebe oder Nokia nennen, weil das ja eingetragene Warenzeichen sind. Und wenn man’s dürfte, dürfte man doch sicherlich nicht die anderen zwingen, einen mit „Camel ohne“ anzureden! Vor allem versteht man nicht, wieso die Medien da mitspielen, wieso die alle den albernen Namen „AOL-Arena“ verwenden, anstatt vom Volksparkstadion zu sprechen. Vielleicht haben sie Geld dafür bekommen. Ist aber eher unwahrscheinlich.
Vielleicht sollte man es mit der so genannten „AOL-Arena“ so ähnlich halten, wie es die Springerzeitungen früher mit der DDR gemacht hatten: immer in Anführungsstrichen und „so genannte“ davor. Wäre doch mal ein kleiner Akt der Zivilcourage. Man könnte dafür auch einen triftigen Grund anführen, der schon dazu geführt hatte, in einigen Schulen Lonesdale-T-Shirts zu verbieten. Wenn man sich’s so anguckt, ist AOL jedenfalls ganz offensichtlich ein Geheimzeichen für AdOLf.
DETLEF KUHLBRODT
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