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die spanische woche der wahrheitKatalanisches Betrügerschach

Kommentar von Reinhard Umbach

Nirgendwo im Schachspiel liegen das Schöne und das Hässliche, das Wahrhaftige und das Verlogene, das Formvollendet-Logische...

..und das Krud-Wahnwitzige auf engstem Raum so nahe beieinander wie bei der Spanischen und der Katalanischen Eröffnung. An der Katalanischen Eröffnung lässt sich dabei das ganze Betrügerische des Katalanen ablesen.

Während der Weiße in der Spanischen Partie nacheinander ausgewogen erst den Königsbauern, dann den Königsspringer und schließlich den Königsläufer zieht, rumpelt der Katalane über viele Züge nur mit seinen Bauern übers Brett. Und was schon am Anfang der Partie skandalös und tendenziös wirkt: ausgerechnet den Königsbauern lässt er stehen. Genau so sind sie, die Antiroyalisten aus Katalonien, dass sie eher einen stinkenden Mistkarren übers Schachbrett ziehen würden als einen königlichen Zug zu machen.

Vor allem der halbherzig-bescheuerte Schwachschritt im dritten Zuge, Bauer von g2 auf g3 zu schieben, der nur dazu dient, dem königlichen Läufer auf f1 eine Art Lochverlies herzurichten, beweist das unterirdische Weltbild des Katalanen. Dass er diesen "Schachzug" zur Täuschung mit dem italienischen Tarnwort "Fianchetto" umschreibt, macht die Sache nicht besser. Wo einer einen Bauern ohne Not wegzieht, um danach einen Läufer hinzustellen, der da auch nicht mehr ausrichten kann als der Bauer konnte, muss mit seinen sieben Zwetschgen irgendwie zwischen Zeitnot und Zugzwang geraten sein.

Wundert es da, dass die Spanische Partie von einem wahren Meister namens Ruy López ersonnen wurde, der als "Vater der Schachtheorie" selbstverständlich am spanischen Königshofe unter Philipp II. wirkte und dessen gelehrigen Infanten die Rösselsprünge beibrachte; der das Königsgambit erfand, eine Art Symbiose von Selbstmord und vorsorgendem Feuerwehreinsatz; und der zudem als das größte Schachgenie der frühen Neuzeit galt und handgeschnitzte Schachspiele verwendete, an deren vier Türmen kleine Windflügelchen angebracht waren, um den königlichen Schülern kühlende Lüftchen zuzufächeln? Nein, das wundert nicht, denn dieser Mann war Spanier.

Noch viel weniger verwundert, dass die Erfindung der Katalanischen Eröffnung auf ein Schachturnier in Barcelona im Jahre 1929 zurückgeht, wo die Veranstalter, um der Spanischen irgendetwas entgegenhalten zukönnen, mit Savielly Tartakower ausgerechnet dem größten Sprücheklopfer der Schachgeschichte den Wunsch auftrugen, eine völlig neue Schacheröffnung zu erfinden, die auch noch den Namen der Veranstalterregion tragen sollte. Tartakower soll sofort ja gesagt haben - ohne nachzudenken. Denn wieso hätte er ausgerechnet in dem Moment damit beginnen sollen?

Tartakowers Schachpartien sind schließlich die einzigen, die niemand nachspielen kann. Sie sind von blinden Flecken übersät, weil seine Spieldoktrin sich in einem einzigen Satz seines Hauptwerks "Die hypermoderne Schachpartie" konzentriert: "Fehler sind dazu da, um gemacht zu werden". Das hat er zeitlebens so gehalten und diente damit seiner geistigen Heimat Katalonien als das unangefochtene Vorbild bis heute.

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1 Kommentar

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  • HR
    Hans-Peter Rothmund

    Grüße und Glückwunsch an den Verfasser dieses Artikels. Er verrät einerseits viel Schachverständnis, andererseits auch eine gute Kenntnis des Katalanentums. Selbst meine Frau Carmen, eine Katalanin, hat sich köstlich amüsiert. Leider ist der katalanische Nationalismus zwischenzeitlich in vielem unerträglich geworden, da bleibt oft nur Sarkasmus übrig.

    MfG H.-P. Rothmund