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die sache istEin Traum von einem Bild

Max Ernsts „Rendezvous der Freunde“ ist – auf Zeit – zurück in Hamburg

Foto: © Reinisches Bildarchiv Köln © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Eigentlich geht es hier um mehrere Rendezvous einander freundschaftlich Verbundener: Ungefähr das erste Viertel ihres Films von 1992 widmen Maria Hemmleb und Christian Bau einer gewissen Frau Ey, manchmal auch „Mutter Ey“ genannt: Die Düsseldorfer Kunstsammlerin und -händlerin Johanna Ey wurde nach dem Ersten Weltkrieg mit ihrer Galerie das Zentrum der Avantgarde. Und sie war dann in besonderer Weise getroffen von der nationalsozialistischen Ausgemeindung ganzer Stile als „entartete Kunst“, von Berufsverbot und Kriegselend.

Über manches Geschäft hinaus freundschaftlich verbunden war Ey den damals noch in Düsseldorf Medizin studierenden, späteren Hamburger Eheleuten Lydia und Artur Bau; den Eltern des Filmemachers. So schickte sie 1941, nach den ersten Luftangriffen auf Düsseldorf, eine Kiste mit Bildern darin nach Hamburg.

Eine Verkaufsofferte, technisch gesehen: Unentschlossenen soll Ey gerne empfohlen haben: „Schlafen Sie mal drunter“, also unter dem betreffenden Stück Kunst an der eigenen, der heimischen Wand. Was natürlich erst recht Sinn ergibt angesichts des surrealistischen Interesses an Traum und Hypnose. Aber es war auch ein Versuch, da etwas in Sicherheit zu bringen vor nun gleich zwei Gefahren, den säuberungswütigen Nazis und den Bomben der Alliierten; und das, eben, bei Freunden.

Hier kommt das „Rendezvous“ selbst ins Spiel, also Max Ernsts Gemälde „Au Rendez-vous des amis“, entstanden 1922, noch vor dem Manifest, mit dem André Breton 1924 der surrealistischen Bewegung einen Überbau – oder eine Grundlage – verfasste. Ernst war im Herbst 1922 nach Paris gezogen, und das bald darauf gemalte Bild zeigt ihn selbst, umgeben von 16 anderen: Mit­strei­te­r:in­nen aus Dada- und der späteren surrealistischen Bewegung. Dazu kommen noch Fjodor Dostojewski, auf dessen Knien sitzend Ernst sich selbst gemalt hat, und der Über-Renaissance-Mann Raffael. Zusammen mit anderen Bildern verkaufte Ernst es an Johanna Ey, um sich vom Erlös einen längeren Aufenthalt in Saigon, Indochina, leisten zu können.

Im Hause der Baus, zwei Jahre lang aber auch in einem Bunker der nationalsozialistischen Muster-Zigarettenfirma Reemtsma, überstand das „Rendezvous“ den Krieg. Tatsächlich erworben haben es die Baus erst 1949, da war Ey ungefähr seit zwei Jahren tot, und ihre Erben machten Druck. 1971 kaufte es das Wallraff-Richartz-Museum in Köln, heute gehört das Bild zu den Beständen des dortigen Museums Ludwig.

Das Meta-Rendezvous trug sich 1964 zu: Max Ernst kam nach Hamburg, wo ihm der Senat den Lichtwark-Preis verlieh, eine Auszeichnung von „Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke der Bildenden Kunst in unserer Zeit neue Aspekte hinzugefügt haben“ und die „durch ihr Wirken oder ihre herausragenden Leistungen eine besondere Beziehung zu Hamburg begründet haben“. Er besuchte auch die Baus – und traf das „Rendezvous“ wieder, das dort ja noch im Wohnzimmer hing. Damals machte der junge Christian Bau Fotos und suchte die offenbar etwas zähe Abendgesellschaft mit seiner Lieblings-Jazzplatte aufzulockern.

„Rendezvous der Freunde“, D 1992, Regie: Maria Hemmleb und Christian Bau, 60 Min.

Matinee-Vorstellung „Rendezvous der Freunde“, im Anschluss Gespräch mit den Filme­macher*innen: So, 24. 8., 11 Uhr, Hamburg, Abaton-Kino

„Werk der Woche“: Annabelle Görgen-Lammers, Kuratorin der Ausstellung „Rendezvous der Träume. Surrealismus und deutsche Romantik“, stellt 30 Minuten lang das „Rendezvous“ vor: Di, 3. 9., 12.15 Uhr, Hamburger Kunsthalle, Treffpunkt: Unteres Foyer

„Max Ernst, Johanna Ey und Hamburg“, Gespräch und Film­ausschnitte von und mit Hemmleb, Bau und Gör­gen-Lammers: Mi, 11. 9., 19 Uhr, Hamburger Kunsthalle, Werner-Otto-Saal

Derzeit ist das Bild noch mal zu Besuch in Hamburg, als Teil der üppigen Kunsthallen-Ausstellung zum Rendezvous von Surrealismus und Deutscher Romantik. Lydia und Artur Bau können nicht mehr selbst gucken kommen: Kurz vor ihrem Tod gaben sie ihrem Filme machenden Sohn die Antworten, die sie etwa 1971 den fragenden Jour­na­lis­t:in­nen verweigert hatten. Er erfuhr, was die Eltern mal gezahlt hatten für das Bild, kurz nach dem Krieg. Und was sie Jahrzehnte später dafür bekamen: Es reichte für den Bau eines sehr anständigen, Samm­le­r:in­nen solcher Kunst angemessenen, modernen Hauses. Alexander Diehl

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