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die sache istBlätter aus der Wunderbox

Ein weit gereister Koffer voller Zeichnungen wird im Hamburger Kunsthaus öffentlich ausgepackt

Foto: Peter Nikolaus Heikenwälder

Manchmal kann er fliegen, im Märchen, aber vor allem verbinden den Koffer und die Luftfahrt wohl Streitereien um Kantenlängen und zusätzliche Gebühren. Überhaupt, die unschönen Anteile des Fremdenverkehrs: Rollkoffergeratter zur frühmorgendlichen Unzeit, das ist vielerorts ja Indiz geworden für die dreiste Airbnb-Durchkommerzialisierung begehrter Wohnlagen. Dann wieder gilt manchem so ein „Behältnis für den manuellen Transport von Gegenständen“ als bestes Symbol überhaupt für den Vorgang der Migration; ein Echo davon hallt ja noch durch unseren Alltagswortschatz: Wir sitzen innerlich auf gepackten Koffern, wenn uns irgendwo nur noch wenig hält. Und den unvollständigen, mit Trauer behafteten Ortswechsel markiert, dass der Mensch „noch einen Koffer in Berlin“ stehen hat oder halt anderswo.

Vier Koffer mit Zeichnungen drin haben ebenso viele Kunstinstitutionen derzeit auf Rundreise geschickt: Je einer ist aufgebrochen in Stuttgart, Köln, Berlin und Hamburg. „Statt einer aufwendigen Wanderausstellung mit teuren Kunsttransporten“, lesen wir, „fahren zwei Agen­t*in­nen aus jeder Stadt mit der Bahn und einem Koffer voller Zeichnungen in die anderen Städte. Dort präsentieren sie vor Publikum die Werke“: In Stuttgart etwa ist das im Oktober passiert, jetzt erwarten sie das Gastgepäck in Hamburg.

Einen Samstagnachmittag lang ist ausdrücklich die ganze Stadtgesellschaft zum Austausch eingeladen. Im Foyer des städtischen Kunsthauses soll ein gemeinsam erlebtes Ritual an die Stelle klassischer Ausstellungssituationen treten: „Die Agen­t*in­nen öffnen ihren Koffer, entfalten einzeln die Blätter mit weißen Baumwollhandschuhen, berichten von den Zeichnungen und von ihrer Reise.“ Die Idee: Momente des Miteinanders und der Vernetzung zu schaffen – ganz im Sinne der nebenan laufenden Ausstellung „Politics of Love“.

Präsentation „Aus dem Koffer – Zeichnungen auf Reisen aus Berlin, Hamburg, Köln und Stuttgart“: Sa, 18. 1., 12–18 Uhr, Hamburg, Kunsthaus

Alexander Diehl

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