die rückhalt-progression von EUGEN EGNER :
Schon oft ist an allen möglichen Stellen von gewissen Schwierigkeiten berichtet worden, hier aber soll es nicht lediglich um Schwierigkeiten gehen, sondern vielmehr um das Eintreten der Rückhalt-Progression, welche grundsätzlich und unter allen Umständen eine vollkommen unerwartete zu sein pflegt. Bei der Gelegenheit, die hier zur Debatte steht, erfolgte sie ausgerechnet in dem Augenblick, als wir versuchten, die Landschaft mit ihrem Reiz einzufangen.
Wir wollten soeben die Augen öffnen und die Schönheiten in uns aufnehmen. Die dazugehörigen Hemmungen hatten wir schon überwunden, uns gegeneinander gestellt und durch eine Kordel gegen jedes Umfallen gesichert. Einer von uns hatte kurz zuvor gesagt: „Nun setzen wir uns erst einmal ruhig hin und schauen in die Landschaft.“ Nicht zuletzt deshalb waren wir im Begriff, optisch Besitz von der Umgebung zu ergreifen. Kontemplativ wollten wir Fläche gegen Fläche setzen, eingedenk der Tatsache, dass es die Linie als solche nicht gibt. Unsere Forderungen an die Wirklichkeit hatten wir zurückgestellt. Fast war es wie die Vorstufe zu einem religiösen Geländespiel.
Genau in diesem Moment trat die Rückhalt-Progression ein. Ob wir zur Konfrontation mit ihr bereit oder in der Lage waren, spielte nicht die allergeringste Rolle. Rückblickend muss man sich wundern, über welche Geschicklichkeit im Anschleichen sie verfügte! In nie aufhörender Virulenz schwamm sie gleichsam durch den Äther an uns heran, tauchte durch unsere gespreizten Beine und fiel lautlos über uns her. Mit der linken Hand erfasste sie unsere Ellbogen und drückte die Arme aufwärts, dann drehte sie die Arme nach unten. Um einem Gewürgtwerden zu entgehen, wollten wir uns herauswinden, doch sie drehte den Arm weiter. Sie ließ erst los, als wir noch nicht tot waren.
Mit allen Mitteln fasste sie uns von hinten, um die Umklammerung von vorn anzuwenden. Eine Hand bekamen wir ins Kreuz, und zwar jeder von uns, gleichzeitig drückte die andere Hand gegen Kinn und Nase. Durch Kopfgriff in Rückenlage machte uns die Rückhalt-Progression vollends zu wehrlosen Trotteln. Die Wirkung war überaus verheerend. Davon erholte man sich nicht mehr. Halbe Kinder wurden zu Greisen. Um uns aus diesem Unglück zu befreien, hätten wir in Seitenlage durch die psychotemporale Substanz einer entschieden übergeordneten Dimension schweben müssen. So aber bewahrte uns nichts vor der Situation, da wir nicht mehr wussten, was wir tun sollten. Wir hatten keine Hilfsmittel wie Brillen, Wurlitzer und so weiter. Einen Wald gab es so wenig wie ein Gelände mit Buschwerk oder Gräben zum Verstecken. Auch die Linie als solche gab es, wie wir uns erinnern, nicht.
Auf einen Schlag waren wir gefangen, nein, geliefert. Hätten wir zu bestimmen gehabt, hätten wir nicht wir selbst sein wollen. Es war nicht gesund, nicht kräftigend, nicht stimmungsfördernd, dieses Gestoßenwerden durch die Rückhalt-Progression, dieses pralle Getroffenwerden, das keine Erschütterung vermied. Rückhaltlos schritt es fort. Man hätte die gesamte Landschaft einer Heilbehandlung unterziehen müssen, doch der Abtransport des Geländes ins Krankenhaus war nicht möglich.