die mär der dinge . . .:
von KARL WEGMANN
Der Abend ist nicht sehr lustig. Draußen Depri-Wetter, drinnen auch. Das mag zum Teil an dem immer noch lebenden Eierpunsch-Kater liegen, vor allem aber wohl an dieser öligen Musik. Willy quält uns mit dem alten Schweden Bo Hansson und seiner berühmtesten Instrumental-Platte.
Dabei versuchen alle, außer Willy, das Thema „Herr der Ringe“ zu vermeiden. „Nie wieder Weihnachtsmarkt“, wiederholt Hermann gebetsmühlenhaft alle fünf Minuten. Bernd und ich dagegen unterhalten uns über die Militarisierung der Umgangssprache. „Mein Kurzer bringt dauernd diese Floskel ‚Hit and run‘ unter“, erzählt Bernd, „etwa so: Gestern war ich auf dem Weihnachtsmarkt, Alter, total negativ, hit and run. Ich meine, kann er nicht sagen: Blöder Weihnachtstrubel, ich hab mir ’nen Bratapfel gekauft und bin wieder abgehauen?“ – „Du lässt ihn zu viel CNN glotzen“, antworte ich, „alles wird bei uns zensiert, nur dieser selbst ernannte Nachrichtensender nicht, dabei fordere ich schon seit Jahren von der FSK eine Altersfreigabe ab 16. Und apropos Weihnachtsmarkt, ich würde ‚search and destroy‘ empfehlen.“ Konscho lacht, er mag keinen Eierpunsch.
Dann ist der Bo-Hannsson- Klassiker durch und Hoffnung erfüllt den Raum, wird aber sogleich niedergemacht, als Willy „Magician’s Hat“, Bos Nachfolge-Album, auflegt. „Jetzt reicht’s aber“, brüllt Hermann, „ich halt’s nicht mehr aus, mein Bier schmeckt ja schon nach Patchouli.“ – „Hast du gehört, was diese englische Zeitung über den ‚Herrn der Ringe‘ geschrieben hat?“, wende ich mich an Willy. Der schaut mich böse an. Ich mache trotzdem weiter: „Sie haben geschrieben: Hitler hätte diesen Film geliebt!“ – „Alte Vorwürfe“, grummelt Willy. „Die Elben, helle Lichtgestalten, hoch gewachsen, arisch, blond“, stichele ich, „dann die Hässlichen, die Bösen aus dem Osten, aus dem Lande Mordor, wo die Schatten drohn . . .“ Willy wird rot, sagt aber nichts. Dabei haben wir alle schon Kinokarten für die erste Vorstellung.
So zieht sich der Abend dahin, schwedische Keyboard-Mucke aus den Siebzigern, Bier und Beutlin. Irgendwann kommt Willy mit diesen Überraschungseiern an. „In jedem steckt eine Herr-der-Ringe-Figur“, trällert er. „Nee, nee“, kontere ich, „nur in jedem Siebten, sagt die Werbung.“ Willy wird blass, Konscho knackt schon sein Ei und murmelt: „Ich will Gandalf.“ Er bekommt eine kleine Miezekatze mit Wollknäuel. Alle kriegen den üblichen Schrott, keine einzige Ringe-Figur darunter. Der Weg fürs Frustsaufen ist frei.
Später lallt Willy: „Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht, Sieben den Zwergeherrschern in ihren Hallen aus Stein . . .“, seine Vorfreude ist ungebrochen. Konscho erzählt, dass sich zur Premiere auch ein Fanclub angemeldet hat, „die kommen alle verkleidet“. – „Na Mahlzeit“, sagt Bernd, „ich und hundert minderjährige Orks im selben Raum, ich glaub, ich verbrenn meine Eintrittskarte.“ – „Vielleicht sitz ich ja neben Gandalf“, überlegt Konscho. Dann fällt Bernd ein, dass sie am Sonntag im Ersten Tim Burtons „The Nightmare before Christmas“ zeigen, ohne Werbeunterbrechung. Das Fest ist gerettet.
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