die lage am lago : Matthäus? Ein Witz!
Brust raus, Bauch rein. Im o-beinigen Fußballergockelgang schreiten wir auf das Pressezentrum zu. Gegen Kroatien mögen die verloren haben, gegen Portugal haben wir gewonnen. Das soll jeder sehen. Wir sind gut drauf, die anderen Kollegen auch. Ältere Reporter fühlen sich an früher erinnert, an die Zeit, als die Deutschen noch Titel gewonnen haben. Jüngere Kollegen reden mit, sie haben die Bilder von einstigen Triumphen so oft gesehen, dass sie sich sicher sind, dabei gewesen zu sein. Kindheitserinnerungen werden bemüht. Wir und die Kollegen erzählen selbst erlebte Bolzplatzanekdoten.
AUS TENERO ANDREAS RÜTTENAUER
Als wir noch klein waren, sind wir nach den Spielen raus und haben nachgespielt, was die großen Kicker uns zuvor im Fernsehen vorgespielt haben. Große Namen fallen. Müller, Maier, Beckenbauer, Netzer. Die gute alte Zeit, sie war einfach anders. Die meisten sind sich sicher, dass sie besser war. Heute, einer redet sich in Rage, gibt es doch gar keine Kinder mehr. Ein anderer stimmt zu und sagt: Und die, die es noch gibt, die haben keine Zeit zum Bolzen, weil sie von ihren Eltern schon ab dem zarten Kleinkindalter in anspruchsvolle Chinesischkurse gesteckt werden. Die schlechte neue Zeit. 30 deutsche Sportreporter schütteln kollektiv den Kopf.
Die Einigkeit ist schnell dahin, als ein ganz junger Kollege von seiner Kindheit in der Parkanlage erzählt. Eigentlich erzählt er das Gleiche wie die anderen auch. Auch er hat große Spiele mit seinen Freunden nachgestellt. Doch die Namen, die er nennt, kommen nicht gut an bei den Kollegen. Buchwald, Brehme, Kohler gehen ja noch. Mit einem Mal herrscht eisiges Schweigen. Manchmal durfte ich sogar Matthäus sein. Hat der das jetzt ernst gemeint, fragen wir uns und lachen höflich. Das muss ein Witz gewesen sein. Die alte Zeit, war sie wirklich immer gut? Angeekelt vom Gehörten verlassen wir den Arbeitsraum. Vor der Tür des Pressezentrums spielen einige Kinder Fußball. Es ist Ferienbeginn im Tessin. Das nationale Jugendsportzentrum von Tenero füllt sich mit Schweizer Kinderfreizeitkindern. Wir beobachten die Kleinen eine Weile. Namen fallen, drollig ausgesprochen. Ballack, Klose, Schweinsteiger, sogar Rolfes hören wir. Wir schauen uns an und nicken. Endlich sind wir wieder wer.