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Archiv-Artikel

die gelben seiten Fehlt China ein Putin?

Einige fürchten, nach Russlands Einmarsch würde die Luft im Kaukasus langsam dünn für Pekings Interessen

Es wäre zynisch zu meinen, dass das Thema Kaukasus-Konflikt im chinesischen Internet deshalb wieder zugelassen würde, weil nunmehr Chinas Hoffnung sinkt, noch mehr Gold zu erbeuten. Dennoch entbrennt in zahlreichen Debattenclubs online ein Streit über den entfernten Konflikt – mit für Chinas Außenpolitik teils unangenehmen, teils gefährlichen Schlussfolgerungen.

Auf dem bislang hoch nationalistischen Portal www.china.com.cn wird Russland bejubelt, verbunden mit der Frage an die eigene Führung: Wenn Russlands Putin locker den kleinen Nachbarn Georgien abstrafen kann, warum kann die KP-Führung in Peking nicht gleich Vietnam einen ähnlich schmerzlichen Unterricht erteilen, jetzt, da Hanoi immer offenkundiger seine Ansprüche auf Inselgruppen im südchinesischen Meer geltend macht? Fehlt uns Chinesen eine eiserne Hand von Putins Kaliber? Einige Kommentierungen thematisieren in diesem Kontext sogar die Kompromisse, die China neuerdings gegenüber Japan bei der Lösung des Konflikts um Öl- und Gasfelder im Ostchinesischen Meer oder gegenüber jenem Russland von Medwedjew bei der endgültigen Grenzfestlegung eingeht.

bbs.tiexue.com zählt zu den chinesischen Debattenclubs mit faschistoider Tendenz. Hier wird vor einem Bündnis Chinas mit Moskau gewarnt, Russland würde sich nicht mit einem starken China abfinden. Sollte Moskau in Südossetien erfolgreich ein Exempel statuieren, was würde demnächst in Zentralasien passieren, fragen sich Diskutanten, die sich auf diesem Tummelplatz auch mit militärischen Sandkastenspielen befriedigen. Wer jedoch glaubt, hier würden extreme Meinungen ewig pubertierender Jungs vertreten, täuscht sich. Denn die meisten Diskussionsansätze decken sich fast hundertprozentig mit den Ansichten eines im Februar 2008 herausgebrachten Fachbuchs der Akademie der Sozialwissenschaften in Peking. Der Tenor: Nach Georgien würde Russland neben den USA und der EU in Zentralasien an Einfluss gewinnen, so dass die Luft dort für Peking dünn wird – nicht wie die Luft in Peking, die wegen etwa 2,5 Millionen stillgelegter Autos momentan Superqualität erreicht. SHI MING

SHI MING, 51, kommt aus Peking und lebt als Journalist in Köln