die drei fragezeichen: „Jeden Tag kommen Menschen an“
Maria Wilby ist Direktorin der Organisation Refugee Action in Colchester, Essex.
1 taz am wochenende: Frau Wilby, am Mittwoch wurden in einem Lkw nordöstlich von London 39 Leichen gefunden. Die Toten stammen laut britischer Polizei aus China. War das für Sie eine Überraschung?
Maria Wilby: Leider überhaupt nicht. Jeden Tag kommen in der Hafengegend bei Tilbury und Grays Menschen an, die sich in Lkws und Containern verstecken, um nach Großbritannien zu gelangen. Meist sind es Minderjährige. Immer wieder verlieren sie ihr Leben, ertrinken etwa im Ärmelkanal. Dass so viele Menschen dabei ihr Leben verloren haben, hatten wir hier jedoch seit der Tragödie bei Dover vor 19 Jahren nicht mehr. Auch damals erstickten 58 Chines*innen in einem Lastwagen.
2 Weshalb gehen die Menschen dieses Risiko ein?
Die meisten der von uns betreuten Geflüchteten haben eine Form von Missbrauch auf der Flucht erlitten. Der Weg nach Großbritannien ist ihnen erschwert, weil es ein Inselstaat ist. Zurzeit können nur zweierlei Gruppen legal einreisen: besonders gefährdete syrische Geflüchtete, die über ein Sonderprogramm direkt aus den Geflüchtetenlagern, etwa in Jordanien, eingeflogen werden, und minderjährige Geflüchtete, die nachweisbar Familienverbindungen nach Großbritannien haben. Alle anderen verstecken sich auf Booten oder Lkws.
3 Was muss geschehen, um das künftig zu verhindern?
Die politischen Vertreter*innen müssen für einen legalen Weg in das Land sorgen. Wenn Menschen bereits Verbindungen zu Großbritannien oder Englischkenntnisse haben, macht es Sinn, sie bei uns aufzunehmen. Von den humanitären Gründen für die Aufnahme gar nicht erst zu sprechen.
Fragen: Daniel Zylbersztajn
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