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Archiv-Artikel

die bierkatze von EUGEN EGNER

Seit sieben Wochen war die Katze verschwunden. Dabei hat sie immer auf das Bier aufgepasst. Nur noch ihr Foto hing über dem verwaisten Platz am Ende des langen Korridors. Das Foto zeigte sie in Ausübung ihres schweren Amtes, über einem mit vollen Flaschen gefüllten Bierkasten thronend. Jetzt war der Kasten leer.

„Da! Die Katze ist weg, und das Bier ist auch weg“, klagte der betroffene Mann. Sein Haar war weiß geworden. Sieben Wochen! Sieben Wochen ohne Bier und noch immer kein Lebenszeichen von der Katze. Meldepflichtiger Hausschwamm riss die Hälfte des Hauses fort, die Frau des betroffenen Mannes lief davon, ohne ihre hölzerne Halskette mitzunehmen. Es wurde höchste Zeit, dass der Mann uns rief. Gleich bei unserem ersten nächtlichen Besuch trafen wir vor seiner Haustüre eine Katze an. Sie hockte weltabgewandt auf einem Hauklotz.

„Katze, Katze“, sprachen wir zu ihr, „willst du nicht mit hineinkommen zu dem betroffenen Mann und künftig auf sein Bier aufpassen?“ Sie war nicht interessiert. Wider alle Vernunft wollte sie draußen in der Kälte auf ihrem Hauklotz kauern. Wir verstanden einfach nicht, wie sie eine derart jämmerliche Existenz unserem Angebot vorziehen konnte.

„Der Mann würde für dich sorgen wie für sein eigen Kind“, redeten wir mit Engelszungen weiter. „Mitten in der Nacht würde er aufstehen und dir leckere Köstlichkeiten kochen. Willst du nicht wenigstens mitkommen, um dir einmal die unermesslichen Konservenvorräte in den acht Panzerschränken des Mannes anzusehen?“

Sie wollte nicht. Wir aber, die Aussichtslosigkeit unseres Tuns jäh begreifend, betraten das Haus des Mannes. Zutiefst verstört empfing er uns mit der Nachricht, man habe ihn am Morgen barfuß und nur mit einem Nachthemd bekleidet mitten in der syrischen Wüste aufgegriffen.

„Komm“ – „Scheiße“ – „Hör auf“, riefen wir aus. Wir begriffen, dass augenblicklich zu handeln war. „Ich bin mit allem einverstanden“, schluchzte der betroffene Mann. Als Erstes musste die verschwundene Katze für tot erklärt werden.

„Stört es Sie, wenn ich währenddessen ein wenig koche?“, fragte uns der Mann. Beim geringsten Anlass begann er zu kochen. „Wenn es Sie beruhigt“, antworteten wir.

Olivenöl wurde sanft erhitzt, der Mann benutzte einen meldepflichtigen, als Gasherd getarnten Topf. Laut Dosenaufschrift gab es Sperberfleisch (nur Euter) aus einem der acht Panzerschränke. Anschließend bauten wir unsere Maschine auf. Sehr gewissenhaft wurde der lange Korridor nach Katzenhaaren abgesucht. Es gelang uns, zwei zu finden. Das beste davon legten wir in unsere Maschine. Nach einer bestimmten Zeit würde entsprechend dem im Haar gespeicherten Gencode die komplette Katze rekonstruiert sein. Das war reine Routine.

Ein viel größeres Problem stellte die Wiederbeschaffung des zu bewachenden Biers dar. Wir konnten nirgendwo das kleinste Restchen davon finden, das wir mit Hilfe unserer Maschine hätten wiedererstehen lassen können. Was sollte der Mann mit einer neuen Katze, aber ohne Bier anfangen?