die anderen:
Die Süddeutsche Zeitung beobachtet einen Wandel bei den Grünen: Es zeigt sich eine neue Souveränität der grünen Partei, die ihr Selbstwertgefühl nicht mehr aus aus dem Regieren schöpft. Die grüne Partei fällt der rot-grünen Regierung nicht in den Rücken, sie erlaubt sich stattdessen, ihr vorauszulaufen. Auf diese Weise demonstriert die Partei, was sie will: Sie will nicht unbedingt im Gleichschritt mit der rot-grünen Bundesregierung marschieren, sondern ihr Schrittmacher sein, ein Pfadfinder, der neue Wege sucht, Umwege (auch Irrwege) macht und dann wieder zurückfindet zur Truppe. Und wenn man beim Vergleich mit anderen Parteitagen ist: Die Reden der Grünen waren inhaltsreicher als die bei der SPD, die Diskussionen spannender als bei der CDU, die Parteiregie – auch wenn es fast unglaublich klingt – noch straffer als bei der CSU und das Bühnenbild besser als bei der FDP.
Das Handelsblatt sieht in der neuen Spitze bei den Grünen eine letzte Hoffnung für die Partei: Die in Münster gestärkten Realos um Joschka Fischer haben bis zur Bundestagswahl Zeit, um den grünen Negativtrend zu wenden und den Kampf um den dritten Platz gegen die FDP zu gewinnen. Mit Renate Künast und Fritz Kuhn stehen Fischers Wunschkandidaten an der Spitze der Grünen. Sie werden von einem reinen Realo-Vorstand und einem handlungsfähigen Parteirat unterstützt, in dem die Linken kaum noch eine Rolle spielen. Das grüne Experiment erhielt in Münster eine neue Führung und eine letzte Chance.
Der Bonner General-Anzeiger meint zu diesem Thema: Besteht, nachdem mit dem Atomstreit eines der Kernthemen grüner Programmatik fürs Erste erledigt ist, überhaupt noch Bedarf an grüner Politik? Wird nicht alles andere von anderen abgedeckt? Die neuen Vorsitzenden bestreiten das. Aber ihre heftigen Attacken vor allem auf die FDP lassen darauf schließen, dass diese Frage sie umtreibt. Sie haben ihr Mögliches getan, um der Herausforderung gerecht zu werden. Ob es auch das Nötige war, muss die Zukunft zeigen.
Die Sächsische Zeitung schreibt die Grünen im Osten ab: Nach 20 Jahren hat sich die ehemalige Protestbewegung zu einer stinknormalen Partei gewandelt. Die frühere Spontaneität und die Fähigkeit, mit der Basis und mit Bürgerinitiativen Kampagnen führen zu können, sind dabei auf der Strecke geblieben. Das ist der Preis der Macht. Als strategischer Fehler könnte sich erweisen, dass die Grünen zur reinen Westpartei verkümmert sind. Konsequent wäre es, den Zusatz Bündnis 90 aus dem Parteinamen zu streichen.
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