die anderen:
Die Zeit meint zu Helmut Kohls Auftritt im Untersuchungsausschuss: Auch früher schlug die Macht gelegentlich über die Stränge, schon vor Kohl wurden im Kanzleramt parteipolitische Hand- und Spanndienste verrichtet, deren Spuren nicht bis in die Registratur zu verfolgen waren. Und Untersuchungsausschüsse dienten seit jeher neben der Wahrheitsfindung auch dem Machtkampf. Aber in der Ära Kohl ist die Personalisierung der Macht, ist die Entinstitutionalisierung der Politik und die Austrocknung diskursiver Verfahren ins Extrem getrieben worden. Kohls Formel, dass es ihm nicht um das Verfahren gehe, sondern darum, „was hinten herauskommt“, ist der durch nichts zu überbietende Ausdruck dieser Tendenz. Die Gefahr solcher Entwicklungen besteht darin, dass das, was man vielleicht, augenzwinkernd, für ein Gewohnheitsrecht halten könnte (die Macht dürfe gelegentlich über die Stränge schlagen), zu einem Gewohnheits-Unrecht wird. An dieser Stelle einen klaren Strich zu ziehen – das wäre die eigentliche kathartische und pädagogische Funktion des Untersuchungsausschusses; dass er an dieser Aufgabe wahrscheinlich scheitern wird, dürfte seine wahre Katastrophe werden.
Zur Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland schreibt die Neue Zürcher Zeitung: Die Vergabe gibt den Realisten und den Rationalisten Recht. Deutsche Gründlichkeit wird ein hervorragend organisiertes und konzipiertes Turnier in modernisierten Stadien und mit hoch entwickelten Strukturen gewährleisten. Die Lichtgestalt Franz Beckenbauer hat es fast im Alleingang fertig gebracht, dass Deutschland als viertes Land nach Italien, Mexiko und Frankreich zum zweiten Mal eine Endrunde durchführen kann – und vorerst aufschnaufen darf nach der atemraubenden Verhöhnung seiner nationalen Auswahl im Juni. Unterlegen sind dagegen die Visionäre, die Entwicklungshelfer, als die sich Verbandsführer gerne sehen. Sepp Blatter hat wie sein Vorgänger João Havelange die Internationalisierung im Sinn und die Unerlässlichkeit wahltaktischer Manöver zur Festigung der eigenen Position im Kopf. Er hielt trotz Defiziten von Afrikas Kandidaturen den Augenblick für gekommen, das in zwei Jahren um Asien erweiterte WM-„Territorium“ auf den Schwarzen Kontinent auszudehnen, zumal ihm von dort wichtige Stimmen im letzten Wahlkampf zugeflogen waren. Dass dadurch Blatters Stellung vor der Bestätigungswahl in Korea geschwächt wird, muss nicht der zwingende Schluss des Wahlausgangs sein. Dazu wechseln Ansichten und Interessen in diesem eitlen Zirkel zu schnell.
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