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die anderen

Die flämische Tageszeitung De Standaard schreibt zu den Ergebnissen des EU-Gipfels in Nizza: Der Gipfel in Nizza bekommt keinen Ehrenplatz in den europäischen Geschichtsbüchern. Frankreich, das Gastland und Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft, war nicht im Stande, den Gipfel entschlossen zu leiten. Vom nationalen Standpunkt aus gesehen war Nizza aber erfolgreich für die Franzosen. Erstens werden ungefähr 25 Millionen Deutsche von Frankreich „neutralisiert“, weil Frankreich und Deutschland sich (bei der Stimmengewichtung) auf demselben Niveau befinden. Zudem behalten die größeren Länder ihre Machtposition, damit sie von den kleineren Länder nicht überrascht werden können. Der große Verlierer von Nizza ist Europa. Schuld daran sind vor allem die Großen wie Frankreich und Großbritannien.

Der Züricher Tages-Anzeiger meint dagegen zum EU-Gipfel: Da streiten sich 15 europäische Staats- und Regierungschefs stundenlang, ob Belgien im EU-Ministerrat 12 oder 13 Stimmen bekommen soll, ob Malta und Luxemburg stimmenmäßig gleich oder ungleich behandelt werden sollen. Die vielfältigen Bremsversuche lassen sich nicht wegzaubern; kein Wunder, dass der integrationspolitische Elan der EU ins Stocken geriet. Entsprechend mager ist das Ergebnis von Nizza. Der Entscheidungsprozess der EU wurde minimal erleichtert, die Gefahr interner Blockaden hat sich kaum verringert. Und doch, Nizza ist ein Erfolg. Das Hauptziel des Gipfels, die nächste Erweiterung der EU vorzubereiten, wurde erreicht.

Das gleiche Thema kommentiert The Daily Telegraph aus London: Nizza gibt der EU eine neue Möglichkeit, das Veto (Großbritanniens) zu umgehen. Seit einiger Zeit schon fordern die Konservativen, dass Großbritannien auf Gebieten wie Landwirtschaft und Fischerei die alleinige Kontrolle zurückerobern sollte. Der einzige realistische Weg, dies zu tun, wäre, das Veto als Unterpfand zu nutzen: Indem wir den auf Integration bedachten Mitgliedern erlauben vorauszugehen, während wir ein paar Schritte zurückgehen. Von dieser Vorstellung entsetzt, haben die Föderalisten nun einen Mechanismus beschlossen, der es einer Untergruppe von Mitgliedsstaaten erlaubt, ohne die Erlaubnis Großbritanniens vorzupreschen. Wenn das erst einmal ratifiziert ist, wird Großbritannien die Möglichkeit verloren haben, als EU-Mitglied Selbstbestimmungsrechte zurückzubekommen. Diese Vorschläge rechtfertigen ganz sicher ein Referendum. Und wenn Labour das nicht zulässt, sollten wir die Parlamentswahl entsprechend nutzen.

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