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die anderen

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt zu den Problemen der Bundesregierung in Berlin: Gut zwei Jahre nach dem Ende der Ära Kohl sollten nun doch langsam Grundlinien sichtbar werden, auf denen sich die zukünftige Entwicklung des Landes aufbauen lässt. Dies ist offensichtlich kaum der Fall, und zwar in Bezug auf Persönlichkeiten genauso wie auf Programme, im Hinblick auf die Regierung ebenso wie auf die Parteien. Mit Effekten und plakativen Parolen allein lässt sich der komplexe politische Betrieb nicht steuern. Eine so tief greifende Krise wie jene der BSE verlangt von einem Regierungschef mehr als verbale Häppchen wie „Weg mit den Tierfabriken“ oder eine hastig ausgerufene „Agrarwende“. Das rot-grüne Modell hat sich nach dem personellen Verschleiß der letzten Monate, nach den offenkundigen Führungsschwächen des Kanzlers und der zunehmenden inhaltlichen Desorientierung weitgehend entzaubert. Für die Rückkehr zu einer sachbezogeneren, ernsthafteren Politik ist es nicht zu spät. Gedient wäre damit allen Deutschen.

Die britische Zeitung The Guardian sieht die amerikanischen Pläne für eine nationale Raketenabwehr mit großer Skepsis: Ebenso wie der Kalte Krieg zum Entstehen neuer Generationen von Angriffswaffen führte, so ist nun die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen – ob zutreffend bewertet oder nicht – die Rechtfertigung für die nächste große Militärexpansion der Vereinigten Staaten. Und zwar hinein in den mehrschichtigen Bereich von defensiven Raketen und teuren neuen Abschussrampen wie Tarnkappenzerstörern, U-Booten und Raumstationen. Die Pläne zur nationalen Raketenabwehr, denen der konservative (britische) Oppositionsführer William Hague gestern sein Plazet gegeben hat, werden dabei nur knapp erwähnt. Aber sie sind aus Sicht des Pentagons ein unverzichtbarer Teil der massiven und in mehrere Richtungen zielenden Programme gegen die Weiterverbreitung, die in Washington derzeit zunehmend Gestalt annehmen. Die Militärmaschinerie rollt bereits. Sie wird nur schwer zu stoppen sein.

Zum gleichen Thema meint der Daily Telegraph: Bei der nationalen Raketenabwehr wird Premierminister Tony Blair sich ebenso wie schon bei der Schnellen Eingreiftruppe zwischen der neuen Mitte-rechts-Regierung in den USA und linksgerichteten Regierungen auf dem europäischen Kontinent entscheiden müssen. Wir leben nicht mehr in den Gewissheiten des Schlachtfeldes des Kalten Krieges, sondern in einem nuklearen Dschungel. Die wirkliche Gefahr liegt in der Zurückweisung der Raketenabwehr, nicht in der Akzeptanz.

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