die anderen:
Der EU-Gipfel in Göteborg hat die Presse europaweit beschäftigt. Die linksliberale tschechische Tageszeitung Pravo: Obwohl die EU in Göteborg nicht wie versprochen ein konkretes Erweiterungsdatum nannte, sind die Kandidaten zufrieden: Die erste Aufnahme neuer Länder soll bis 2004 erfolgen. Im Licht des jüngsten Referendums in Irland kann dieses schwedische Versprechen nur überraschen. [. . .] Was nutzen die Worte vom Europa ohne Grenzen, wenn Arbeitnehmer aus neuen Mitgliedsländern erst einmal nicht in Deutschland oder Österreich arbeiten dürfen? Trotzdem ist die EU für Tschechien nicht irgendeine, sondern die beste Alternative für die Zukunft des Landes. Die linksliberale britische Zeitung The Guardian: Politiker schmieden hinter verschlossenen Türen ihre Intrigen und lassen sich dabei nicht durch das hindern, was ihre Bürger darüber denken. Anweisungen kommen von ganz oben, der gesamte politische Prozess ist entrückt und dem Zugang entzogen. Die Zurückweisung des Nizza-Vertrags durch die Iren war eine Rebellion gegen diesen Trend. Die Botschaft der Bürger an die Politiker war: Ignoriert uns nicht. Die Reaktion der Dubliner Regierung war unglücklich. Statt den eigenen Bürgern zuzuhören, eilten sie nach Göteborg und entschuldigten sich bei den Politikerkollegen dafür, ein Schlagloch auf der Straße zur EU-Erweiterung hinterlassen zu haben. Sie versprachen, die Frage erneut so lange zu stellen, bis sie die Antwort bekommen, die sie haben wollen. [. . .] Ob auf den Straßen von Göteborg oder an den Wahlurnen Irlands und Großbritanniens – es gibt hier eine Warnung an die Politiker: vor einer zunehmenden Distanz der Führer zu den Geführten.
Die linksliberale französische Tageszeitung Liberation: Lange Zeit sind die europäischen Gipfel, die G-8-Treffen und andere internationale Konferenzen auf allgemeines Desinteresse gestoßen. Inzwischen ziehen sie ein erhebliches Protestpotenzial an, das vielleicht nicht auf diesen starken Widerhall stoßen würde, wenn es dabei nicht auch zu Gewaltakten organisierter Minderheiten kommen würde. Das ist bedauerlich, aber nicht zu bestreiten. Das niederländische unabhängige Algemeen Dagblad: Die gewalttätigen Demonstranten von Göteborg vertraten mit ihren Methoden bestimmt nicht die gesamte europäische Bevölkerung. Aber die Skepsis wächst in einem Maß, dass die Politiker Europas viel mehr Rücksicht darauf nehmen müssten. In demokratischer Hinsicht hat das Nein der Iren zum Vertrag von Nizza keine sehr breite Grundlage, aber das Missachten solcher Signale dient zweifellos den radikalen Protestgruppen.
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