die anderen:
Nach der Koalitionseinigung in der Zuwanderungsfrage kommentiert Die Welt: Sollte Otto Schily jemals von ganzem Herzen von dem Text überzeugt gewesen sein, den er im August als Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes präsentierte, er dürfte dieser Tage nur noch gebrochenen Herzens durchs Regierungsviertel schleichen. Denn Schilys neue Fassung wurde zwar nun vom grünen Partner abgesegnet, de facto jedoch deformiert. (...) Die Grünen durften Schilys Text die Zähne ziehen, wo es nur ging. (...) Sicherlich kann man das alles so machen. Etwa, wenn man als grüner Koalitionspartner sein Stillhalten in Sachen Afghanistan-Krieg bezahlt bekommen möchte. Aber als Bundesinnenminister darf man das Thema Zuwanderung – und sich selbst – schon ein wenig ernster nehmen, als es nun geschehen ist.“
Die Märkische Allgemeine in Potsdam schreibt zu den Reaktionen in der Union: Wer mit seinen programmatischen Pfunden wuchern will, darf sie nicht verleugnen. Genau das tut die Union aber mit ihrer rigorosen Ablehnung der rot-grünen Zuwanderungsregelung. Die entspricht über weite Strecken dem Einwanderungskonzept des saarländischen CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller, das unbestritten zu den besten und schlüssigsten Papieren dieses Themenkreises gehört. Wer nun Schilys Entwurf wegen zweier Federstriche beim Familiennachzug und bei nichtstaatlicher Verfolgung als „Schleusenöffnung“ diffamiert, tritt damit Müllers Leistung ebenfalls in den Schmutz. Zugegeben: Das Nachzugsalter von Kindern ist für die Integration in Deutschland wichtig. Die Korrektur von zwölf auf 14 Jahre ist aber nun wirklich kein Dammbruch. Und Schutz auch vor (konkreter) nichtstaatlicher Verfolgung sollte ohnehin im christlichen Selbstverständnis der Union liegen.
Die Leipziger Volkszeitung sieht die Grünen als Gewinner des Kompromisses: Die Koalition ist sich einig geworden bei der Zuwanderung. Und – wer hätte das noch erwartet? – der Gesetzentwurf trägt eindeutig grüne Färbung. Der kleinere Koalitionspartner hat sich in zwei für ihn wichtigen Punkten – beim Asylrecht und beim Nachzugsalter – durchgesetzt und kann nach langer Zeit wieder einmal einen sichtbaren Erfolg für sich verbuchen. Man muss allerdings fragen, inwieweit dies auf grünes Geschick und grüne Überzeugungskraft zurückzuführen ist. Vieles spricht dafür, dass Innenminister Schily – einem Wunsch des Kanzlers folgend – dem Bündnispartner in schwerer Zeit entgegengekommen ist. Und man darf annehmen, dass die Grünen bei nächster Gelegenheit an diese Freundlichkeit erinnert werden.
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